«Komödie des Daseins» ist eine grosse Sonderausstellung, wie es sie zu diesem Thema noch nicht gegeben hat. In jahrelanger Forschungsarbeit entwickelt, versammelt sie über 300 Arbeiten, darunter Leihgaben aus der Schweiz und Europa sowie Werke der hauseigenen Sammlung. Es ist eine Versuchsanordnung mit Vasen, Flugblättern, Zeichnungen, Zeitschriften, Gemälden, Skulpturen, Fotografien und Videos: Situationskomik und existentieller Schrecken stehen dicht an dicht – auch in der Kunst.
Kunsthaus Zug | Komödie des Daseins
Es geht frivol zu in den Museumsräumen des Kunsthauses Zug. Vielleicht nur ein bisschen derb. Womöglich ausgelassen, mitunter tief traurig.
Freie Geister müssen lachen
Das Kunsthaus Zug schickt die Besucher*innen in Siebenmeilenstiefeln durch die Kunstgeschichte des Humors. «Komödie des Daseins», so der Titel der Ausstellung, der sich an den Philosophen Friedrich Nietzsche anlehnt. Nietzsche beschreibt das ungeheuerliche Leben als Komödie des Daseins, dem das Individuum nur mit Lachen und Tanzen begegnen könne. Freie Geister müssten lachen können, auch über sich selbst. Schon lange vor Nietzsche sind Humor und Kunst in Beziehung zueinander gestanden – bewusst spätestens seit der frühen Aufklärung, als sich skeptische Geister in England mit einer freien Kunst lachend emanzipierten und der Moderne den Boden bereiteten.
Humor und moderne Kunst
Ob Satire oder Parodie, historisch betrachtet waren Spott und das Groteske seit der Antike immer ein Ventil gegen starre Ordnungsmuster und hierarchische Wertesysteme. Spätestens der tragische Anschlag auf die Redaktionsräume des Pariser Satiremagazins Charlie Hebdo hat die alte Frage nach Humor in freiheitlichen Demokratien neu aufkochen lassen. Der Humor beginne da, wo der Spass aufhöre, sagte der deutsche Kabarettist Werner Finck. Einem Widerstand, einer grossen Schwierigkeit und dem Scheitern im Angesicht der Tragik wird mit Humor zur Überwindung ein «Trotzdem» entgegengehalten. Diese existenzielle Form von Humor steht im Zentrum der Ausstellung «Komödie des Daseins». Ein Schwerpunkt ist dabei die Kunst seit der beginnenden Moderne. Die These ist, dass mit der Moderne eine strukturelle Beziehung entstand zwischen humorvollen Werken und der selbstreflexiven, autonomen Kunst für mündige freie Betrachtende allgemein. Das Verhältnis von Humor und Kunst wurde von der kunstwissenschaftlichen Forschung bisher wenig erörtert. Ganz anders als bei der Humorforschung anderer Geisteswissenschaften, der Medizin, Psychologie und Biologie.
Die Ausstellung
Das Kunsthaus Zug schickt seine Besucher*innen durch eine Kunstgeschichte des Humors. Groteske, Karneval und Comic, Slapstic und Satire: Seit sieben Jahren erforscht eine Arbeitsgruppe aus dem Haus mit Studierenden und jungen Wissenschaftler*innen die Wechselbeziehungen von Kunst und Humor und geht zurück bis ins antike Griechenland. Die Kunstgeschichte des Humors führt zum Strassentheater und an die Fasnacht. Zum Humor, der provoziert und zu dem, der unterhält. Zum Protest, zur Auflehnung. Geschlechterbeziehungen und gesellschaftliche Unterdrückung, Auseinandersetzung mit dem Körper und mit dem Tod sind Konstanten durch Räume und Zeiten. Die gezeigten Werke wollen die Betrachtenden zum Lachen bringen. Der Ort von Bildung und Kontemplation soll mit der flüsternden Stille brechen. Fragt sich bloss noch, wer wo lachen wird, wann, wie, worüber und warum? So gerät die Ausstellung zum Experiment über das Besucherverhalten im Museum und zur Selbstkritik an seiner eigenen Autorität.
Ende des Pathos
Von der Antike bis zur Gegenwart fragt die Ausstellung, was es im Museum denn eigentlich überhaupt zu lachen gibt. Im derben und wilden Treiben, in politischen Karikaturen von Daumier über Heartfield bis Chapatte oder am Beispiel von Mona Lisa-Parodien: Gemeinsam ist allen Arbeiten das Brechen des künstlerischen Pathos, so auch in der spielerischen und selbstironischen Lust der neueren Autor*innen am clownesken Spiel. Es ist eine Versuchsanordnung mit antiken Vasen, Flugblättern, Zeitschriften, Gemälden, Skulpturen und Videos. Hier bleibt das Lachen im Halse stecken, da wird gekichert und gescherzt über erbaulichen oder dreisten Humor von Bruegel d. Ä. oder Goya, Ensor oder Klee, über Daumier oder Heartfield, Duchamp, Oppenheim oder Warhol, Signer oder Cattelan. Manchmal stehen Situationskomik und Schrecken, Lust und Scham, Freude und Entsetzen nebeneinander, dicht an dicht. Nietzsches Frage ist aktuell: „Inmitten einer düsteren und über die Maassen verantwortlichen Sache seine Heiterkeit aufrecht erhalten ist nichts Kleines von Kunststück: und doch, was wäre nöthiger als Heiterkeit?“