Harun Farocki zeigt ‘Weiche Montagen’ im Kunsthaus Bregenz und schafft damit harte Tatsachen.
Kunsthaus Bregenz | Harun Farocki
Die vom Kunsthaus Bregenz organisierte, bis dato umfangreichste Überblicksausstellung in Österreich umfasst den Zeitraum von 1968 bis heute und präsentiert erstmals in Europa drei speziell für diesen Anlass entstandene Videoinstallationen, die Teil der Serie Ernste Spiele sind und mit Unterstützung des KUB realisiert wurden. Für diese neuen, jeweils 8 Minuten langen Videoinstallationen hat Farocki Aufnahmen in Militäreinrichtungen der USA gedreht und die eigenen Sequenzen mit Ausschnitten aus Computersimulationen kombiniert. Die an Spiele erinnernden Programme werden von Soldaten genutzt, um an ihren Rechnern den Ernstfall im Irak, in Afghanistan und in potenziellen Krisengebieten zu proben. Eine weitere Variante stellt die ebenfalls zur Serie Ernste Spiele zählende Arbeit Immersion dar, bei der es um Reinszenierungen traumatischer Kriegserlebnisse der Soldaten mithilfe solcher Simulationstechnologien geht, die in diesem Fall zu therapeutischen Zwecken eingesetzt werden.
Vergleich über ein Drittes zeigt in einer Doppelprojektion Aufnahmen von Ziegelproduktionen und der Verarbeitung von gebrannten Steinen zu Bauwerken in Afrika, Indien und Europa. Im sachlichen Modus des Dokumentarfilms gedreht, kommt diese Arbeit ohne gesprochenen Kommentar aus und wirkt allein über die suggestive Atmosphäre des Gezeigten. Auch wenn im Vergleich zwischen kollektiver Produktion in Afrika und dem in Europa durch Maschinen bestimmten Herstellungsprozess emotional Unterschiede zu spüren sind, entzieht sich der Film doch einer eindeutigen Stellungnahme. Allerdings macht er allein durch das Aufzeigen archaisch wirkender Produktionsbedingungen bei indischen Hochhausbauten die Parallelität von verschiedenen Industrialisierungsstufen innerhalb einer Gesellschaft bewusst und verdeutlicht so die Fragwürdigkeit einer traditionellen Fortschrittsvorstellung.
Zu den bekanntesten und beliebtesten Arbeiten Farockis zählt sicherlich die auf der letzten »documenta« für viel Aufsehen sorgende und im dritten Stockwerk des KUB präsentierte Arbeit Deep Play. Auf zwölf Projektionsflächen wird der Besucher mit verschiedenen Blicken auf das WM-Endspiel von 2006 konfrontiert. Gezeigt werden nicht nur die für die regulären Zuschauer damals sichtbaren Bilder des Spiels, sondern auch computergenerierte Abstraktionen des Spielflusses, Vektorvermessungen von Spielerkörpern und einzelne Spieler in der Nahsicht. Wir hören und sehen, wie die Analysten das Spiel kommentieren, und beobachten die Reaktionen der Trainer. Das Spiel, das im Sommer 2006 1,5 Milliarden ZuschauerInnen auf der ganzen Welt verfolgt haben und das auch wegen des unrühmlichen Kopfstoßes Zidanes Fußballfans und Laien gleichermaßen beschäftigte, wird hier zu einer Metapher für das komplexe Verhältnis von Unterhaltung, Kontrolle, Kampf und Medien.
Bemerkenswert an der Bregenzer Ausstellung ist nicht allein die außergewöhnliche Vielfalt der gezeigten Arbeiten, sondern auch ihre verschiedenen Präsentationsformate, die raumgreifende Installationen, eine Filmbibliothek und eine Werkschau im örtlichen Metrokino umfassen.