Die Arbeiten der Schweizer Künstlerin sind Fenster in neue Realitäten. In seiner ganzen leuchtenden, poetischen und gestochen scharfen Erscheinungsweise kreist das künstlerische Werk von Eva Borner auch in ihrer neusten Ausstellung in seinem Kern immer wieder um solche Fragen: Wie sieht unsere Realität aus? Wer bestimmt, wie sie aussieht? Wer erschafft das, was wir als real bezeichnen? Und was geschieht, wenn wir unser Umfeld – bewusst oder unbewusst – immer schon selbst erschaffen haben?
Jupiter ist auf der Erde gestrandet
- Publiziert am 3. August 2025
Künstlerin Eva Borner zeigt «Fotomalereien», in denen reale und imaginierte Räume zu offenen Assoziationsfeldern verschmelzen.
Eva Borner lebt und arbeitet vielerorts. Ihr Studium der Medienkunst an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Aarau schloss sie 2003 mit dem Werk «Bilder im Kopf» ab. Die für die Künstlerin seither zentrale Frage nach der «Präsenz von Absenz» zieht sich als Leitthema durch ihr reichhaltiges Œuvre. Eva Borners Arbeiten wurden in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland präsentiert. Als wichtig erwiesen sich für die Erarbeitung neuer Werke verschiedene Künstlerresidenzen, zu denen sie jeweils als Stipendiatin von Fachjurys auserkoren wurde, so die Aufenthalte im Engadin/Nairs (2011 und 2016), im Swatch Art Peace Hotel in Shanghai (2013/2014), Atelieraufenthalte in der Cité internationale des arts in Paris durch das Aargauer Kuratorium (2016), im LIA in Leipzig (2016), ein Atelier-Mondial-Reisestipendium nach Griechenland (2019), ein Aufenthalt im Goethe-Institut in Thessaloniki (2020) sowie ihre Präsenz im Schloss Gleina im Rahmen des Projektes Kosmos Kaos. Weitere Förderungen wurden Eva Borner von zahlreichen Institutionen zuteil u. a.: Sitemapping des Bundesamtes für Kultur (2007), Werkbeiträge des durch das Bundesamt für Kultur betreuten Kulturfonds (2010 und 2014), sowie der Valiart Medienkunstpreis (2007). Ihre Werke finden sich in privaten und öffentlichen Sammlungen wie dem FRAC Alsace, Sélestat (F), oder der Christoph Merian Stiftung, Basel.
Das Innen ruht im Aussen
Eva Borners fotografische Montagen im Aargauer Kulturraum Mokka-Rubin offenbaren den Betrachtenden ungewohnte und auf den zweiten Blick manchmal auch etwas beunruhigende Welten. Die Fotomontage-Serie «Flugräume» (2020) etwa zeigt scheinbar traumverhangene, etwas melancholische Szenerien, die in einer verlassenen Herberge in Thessaloniki aufgenommen wurden und die erst bei näherer Betrachtung eine zweite Ebene offenbaren, wenn man sich gewahr wird, dass sich hier die Räume – ähnlich wie in den Zeichnungen von M.C. Escher – paradox und unauflöslich ineinander verflechten: Das Innen ruht im Aussen, während das Aussen wiederum die Innenräume kapert, in Bewegung bringt und auflöst: So weicht sich der Boden (oder ist es ein blauer Teppich?) eines spärlich mit einem Sofa ausgestatteten Zimmers unter unserem Blick sanft in Meereswellen auf, oder eine Taube bricht gegen den sonnigen Horizont einer rauen Zimmerwand auf.


Ready-Mades der Natur
Während sich die Räume in Eva Borners Werk durchgängig immer wieder als instabil, mehrdeutig und widersprüchlich zu erkennen geben, scheinen die Tiere, die sie bewohnen, eine ganz eigene Existenz zu führen. Fast wirken sie wie Ready-Mades der Natur, die sich dem Spiel der Kunst still entziehen. So werden etwa die Tauben in den «Flugräumen», auch wenn sie Teil einer irrealen Szenerie sind, nicht vom Oszillieren zwischen den Wirklichkeiten erfasst, sie bleiben ganz bei sich und unbeirrbar taubenhaft. Auch die emsig arbeitenden Ameisen in der Videoarbeit «….» (2025) scheinen so etwas wie ein faszinierendes Realitätsprinzip zu verkörpern, in dem es nichts zu hinterfragen gibt. Der Gesang der Grillen schliesslich in der Soundinstallation «Wenn ich weiss, wo ich bleibe» (2013), der aus mehreren alten, vom Reisen furchig gewordenen Koffern klingt, hat auch wiederum etwas Reines, Klares, Unzweideutiges an sich, er ist purer Klang, der dennoch in uns viele Gefühle und Erinnerungen zu wecken vermag. Er nimmt uns sofort an einen lauen Sommerabend in den Süden mit, wo der Geruch von Zedern und Wein in der Luft liegt und uns glauben lässt, wir seien auf unserer langen Lebensreise – endlich – angekommen … Für den Moment eines Atemzugs zumindest.

Textgrundlage: Alexandra Stäheli, Kulturmanagerin und Leiterin Atelier Mondial