Wie weit wird unser Schauen durch Vorannahmen bestimmt – sogar verunmöglicht? Können Kunstwerke unsere Wahrnehmung anregen oder verschieben? Im Nachspüren unserer sinnlichen Eindrücke in der Begegnung mit Kunst verwandeln sich Momente der Irritation in eine bereichernde Erfahrung – die Imagination von uns als Betrachter sowohl erfordert wie bestärkt.
Irritation als Strategie der Kunstrezeption
Die Gruppenausstellung «Wahrnehmung und Irritation» fragt im Kontext künstlerischer Praxis nach dem Verhältnis von Wahrnehmung und Rezeption.
Die Lust am Schauen
Wellen, Stoff, Volumen und Bewegung sind die Grundkonstanten im Werk von Evelina Cajacob. Die Künstlerin zeichnet damit, indem sie auf bestehende Räume oder Ordnungen subtil eingeht, neue Fäden darüberlegt. Die Ebenen scheinen dabei oft zu verschmelzen. Daraus entsteht im Schauen eine neue Welt aus der Bewegung der Linie, der Hände, der Stoffe, die sich mit den Volumen des Bildraumes verschränken.
El Frauenfelder beschäftigt sich mit der bildnerischen Darstellung in der Fläche, deren physische Wirkung sich bisweilen reliefartig als Material im Bild präsentiert – um umgedeutet, für einen anderen Inhalt zu stehen. Was sich der Betrachterin in der starken Abstraktion als Anwesenheit von Architektur, Landschaft oder Interieur aufbaut, entzieht sich doch stets in der Abwesenheit, um das Gesehene in Frage zu stellen.
Christoph Rütimanns Arbeiten laden ein, gewohnte Wahrnehmungsmuster neu zu justieren. Das geschieht immer wieder durch Arrangements und Handlungen, die dem Alltag zwar verwandt, aber verfremdet in Erscheinung treten. Physikalische Kräfte werden ausgehebelt, Blickrichtungen beginnen zu tanzen und verrutschen, Pflanzen bekommen einen performativen Auftritt – um aus einem künstlerischen Denken heraus befragt zu werden.
Das Werk von Aline Witschi zeigt sich geprägt von Mehrteiligkeit, Umdeutung des Materials, einer kritischen Verrückung von mit Symbolkraft behafteten Gegenständen. Meist aus dem Alltag entnommen, verleiht sie diesen durch die künstlerische Befragung eine ungewohnte Lesart. Sie thematisiert das Verhältnis von Täuschung und Wirkkraft, Gebrauchsgegenstand und Kunstobjekt, Verletzlichkeit und Irritation.
(Textgrundlage: Haus zur Glocke)