Wellpappe, Plastik, Latex, Keramik. Das Haus für Kunst Uri zeigt eine Gruppenausstellung mit Künstler*innen, die das Material in den Fokus ihrer Skulpturen und Installationen setzen. Durch die gewöhnlichen, zum Teil billigen Materialien entsteht ein Bezug zur Alltagskultur und eine Zugänglichkeit, die in spannendem Kontrast zur Hochkultur und Sakralität des künstlerischen Kontexts steht.
Haus für Kunst Uri | Positionen
Jedes Material kann für die Kunst genutzt werden. Kunstschaffende verändern die Dinge, die Räume und dadurch unsere Wahrnehmung.
Marie-Claire Baldenweg
Sie ist eine beharrliche Beobachterin unserer Zivilisation. Die Malerin fokussiert bereits in den 1980er Jahren die Waren- und Konsumwelt kritisch und setzt sich mit dem allgegenwärtigen Material Plastik auseinander. So entstehen ganze Bildzyklen wie “Plastic Reality”, “Plastic Dream Time” und ihre neuste Serie “Key Cards for Survival II”. Die Künstlerin entlarvt die Konsum- und Verkaufsstrategien der Werbemechanismen und stellt ethische Begriffe zur Diskussion.
Selina Baumann
Spätestens seit ihrem Studienabschluss in Bildhauerei 2014 fällt Selina Baumann mit ihren biomorphen Keramikskulpturen auf. In mehreren Arbeitsschritten schafft sie aufwändige Objekte. Hierzu bedient sie sich in lockerer Anlehnung eines Formenvokabulars, welches an Alltagsgegenstände erinnert und Transformationen in Gang setzt. Ihren Plastiken gehen Zeichnungen voran, die als autonome Werke zu verstehen sind. Diese Zeichnungen sind eine Art Formarchiv, das immer wieder durchgespielt wird.
Heidi Bucher
Heidi Bucher zeichnete sich vor allem durch ihre eigenwillig-legendären «Abhäutungen» aus. Von zentraler Bedeutung in ihrem Werk ist die Beschäftigung mit Architektur(fragmenten), welche fast ausnahmslos aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammen. Bei den entstandenen «Abhäutungen» – Latexabdrücke von Wänden, Fenstern oder ganzen Zimmern, inklusive des Parkettfussbodens – handelt es sich um Erinnerungsfetzen, an denen auch das letzte Staubkorn haftet. Ihre Arbeit ist gleichzeitig ein radikal-visionäres Zeugnis, als auch eine konzeptionelle Befreiung von einer alten, patriarchalisch geprägten Welt. Es ist ein grosses Werk von faszinierender Schlichtheit, Poesie und beeindruckender Konsequenz. Mit ihrem Tod 1993 verschwand Heidi Bucher schlagartig aus dem Gedächtnis der Kunstwelt. Erst die 2004 von Heike Munder kuratierte Einzelausstellung im Migros Museum für Gegenwartskunst Zürich sorgte dafür, dass Heidi Buchers grossartiges Schaffen nicht komplett in Vergessenheit geriet. Anfang der 1970er Jahre zog Heidi Bucher in eine alte Metzgerei an der Weinbergstrasse in Zürich. Im Untergeschoss, in dem sich der Kühlraum befand, richtete sie ihr Atelier ein und nannte es «Borg». Diesen Borg – ein gekachelter Raum – zog sie mit Latex ab. Er wurde zu ihrer ersten «Raumhaut» und wird im Haus für Kunst Uri neben anderen Arbeiten aus einer Privatsammlung gezeigt.
Patrick Graf
Patrick Grafs Arbeitsweise beruht auf der Vermischung von Werk und Alltag, Fiktion und Realität. Er ist ein Geschichtenerzähler und Fantast. Seine Installationen, Bilder, Zeichnungen und Tagebücher entsteigen einem eigenen Universum unter dem Einfluss von Comic, Cartoon, TV, Kunstgeschichte, Werbung und Trash. Er schafft aus lackiertem Karton, bis ins kleinste Detail ausgearbeitet, Paralleluniversen und umfangreiche Installationen. So erstreckt sich seine “Soldevische Ausgrabungsstätte” quer über das ganze Obergeschoss des Haus für Kunst Uri und lässt Besucher*innen in eine neue, fremde Welt aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eintauchen.