In einer grossen Retrospektive würdigen das Fotomuseum Winterthur und die Fotostiftung Schweiz gemeinsam den Schweizer Künstler Balthasar Burkhard (1944–2010). Wie kaum ein anderes reflektiert sein Werk die Selbsterfindung eines Fotografen und bildet zugleich die Emanzipation des Mediums Fotografie als Kunst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ab.
Fotomuseum Winterthur | Balthasar Burkhard
- Publiziert am 16. Februar 2018
Ein ganzes Künstlerleben
Die Retrospektive zeichnet die vielfältigen Facetten von Burkhards Werdegang etappenweise nach: Beginnend mit Fotografien aus seiner Lehrzeit bei Kurt Blum, die sich noch an der traditionellen Reportage- und Illustrationsfotografie der 1960er Jahre orientiert, und ersten selbständigen Fotoprojekten, zeigt die Ausstellung ebenso Burkhards Rolle als Wegbegleiter des berühmten Kurators Harald Szeemann und Dokumentarist der Berner Bohème der 1960er und 1970er Jahre. Viele Aufnahmen der bahnbrechenden Ausstellungen «When Attitudes Become Form» im Jahr 1969 in der Kunsthalle Bern und der «documenta 5» von 1972 stammen von Balthasar Burkhard und halten die radikalen, oft ephemeren Werke, Aktionen und Performances der damaligen internationalen Kunst- Avantgarde fest.
Der Körper im Fokus
Gleichzeitig arbeitet Burkhard an seiner Positionierung als Fotograf und Künstler, entwickelt in Zusammenarbeit mit seinem Freund und Kollegen Markus Raetz die ersten grossen Fotoleinwände, versucht sich als Schauspieler in den USA und wird 1983 und 1984 zu seinen mittlerweile legendären Ausstellungen in die Basler Kunsthalle und ins Musée Rath in Genf eingeladen. Dort gelingt es ihm weitgehend, die Fotografie von ihrer abbildenden Funktion zu lösen: Mit monumentalen Grossformaten entwickelt er das Motiv des Körpers weiter zu skulpturalen Landschaften und ortsspezifischen Architekturen.
Mensch und Tier
Im Laufe seiner Karriere widmet sich Burkhard immer wieder dem Porträt. Während seine früheren Fotografien Künstler*innen szenisch und in Aktion zeigen, folgen seine späteren Porträts einer zunehmend formalisierten Bildauffassung. In den 1990er Jahren überträgt er diese stilistische Reduktion auf eine umfangreiche Porträtserie von Tieren, die an einen enzyklopädischen Stil der Fotografie des 19. Jahrhunderts erinnert.
Vogelperspektive
Eine weitere Etappe von Burkhards Schaffen stellen seine grossen Luftbildauf- nahmen der Metropolen wie Tokio und Mexico City dar. Die Aufnahmen aus dem Flugzeug, die er mit den Wüsten der Erde fortsetzt, werden zu seiner grossen Passion. Balthasar Burkhards Suche nach einer Morphologie, einer Art Formen- kunde von Natur und Kultur, wird vor allem in seinem Spätwerk offensichtlich. In ihm finden Aufnahmen von Wellen und Wolken ebenso ihren Platz wie die Schweizer Berge und Flüsse und die Fragilität von Pflanzen. Stets gilt sein Interesse auch der Materialität des Bildes. Neben der sehr persönlichen, eher dunklen Tonwertskala seiner Abzüge lotet er bis zuletzt alle ästhetischen und technischen Möglichkeiten der Fotografie aus.
Umfangreiches Archiv
Die Ausstellung des Fotomuseum und der Fotostiftung zeichnet ein halbes Jahrhundert Schaffenszeit nach und präsentiert dabei nicht nur einzelne Werke, sondern reflektiert auch die von Balthasar Burkhard konzipierte Präsentation seiner Fotografien im Raum durch zahlreiche Dokumente aus dem Archiv des Künstlers.