Die Ausstellung im Kunstmuseum Appenzell lädt zu einer zeitgenössischen und assoziativen Untersuchung des Schaffens von Kim Lim. Dieses steht in einen Dialog mit den Skulpturen der lettischen, in Paris lebenden, Künstlerin Daiga Grantina. Es gibt bemerkenswerte Verwandtschaften und Parallelen zwischen den Werken der beiden Frauen zu entdecken.
Daiga Grantina. Notes on Kim Lim
Die lettischen Künstlerin Daiga Grantina zeichnet das Werk der 1997 verstorbenen singapurisch-britischen Künstlerin Kim Lim nach.
Kim Lim (1936–1997)
Kim Lim widmete sich mehr als vier Jahrzehnte lang der abstrakten Skulptur, für die sie Holz, Stein und industrielle Materialien verwendete. Parallel zu ihrer bildhauerischen Arbeit verfolgte sie während ihrer gesamten Laufbahn die Druckgrafik und die Zeichnung. Das verbindende Element über die unterschiedlichen Werkperioden hinweg ist Lims anhaltendes Interesse für Licht, Raum und Rhythmus sowie ihre Beschäftigung mit der Wechselwirkung zwischen Kunst und Natur. In ihrer Arbeit sträubt sich Lim gleichermassen gegen die modernistische Universalismen der eurozentristischen Kunstgeschichte, sowie einer essentialistischen Einordnung ihrer Praxis in einen panasiatischen Kulturraum. Mit ausgedehnten Reisen nach Italien, Kambodscha, Indien, Japan und Ägypten erweitert sie ihr Studium und koordiniert ein visuelles Vokabular der eigenen Praxis aus einem multiplen raumzeitlichen Feld antiker wie zeitgenössischer, skulpturaler Werke. Ihre Grammatik entspringt weniger einer Klärung abstrakter Formen als vielmehr der körperlichen Begegnung mit Skulpturen in ihrer konkreten Umgebung.
Daiga Grantina (*1985)
Daiga Grantina verwendet in ihrer Praxis ein breites Spektrum alltäglicher Materialien, vom synthetischen bis zum organischen, wobei sie Grenzen ihrer Verwendungsweise umkehrt oder überschreitet und so assoziative Formationen schafft. Sie lässt sich bei der Entwicklung ihrer Materialprozesse von den zahlreichen anpassungsfähigen Eigenschaften von biologischem Leben wie Koexistenz und Selbstreplikation inspirieren. Sie versteht ihre Arbeiten als Vermittlerinnen zwischen irdischen und kosmischen Räumen, die eine Elastizität unseres Vorstellens und Fühlens einfordern.
Transformationspotenzial
Wandlungsfähigkeit und Elastizität sind charakteristisch und konstitutiv für die künstlerischen Praxen von Kim Lim und Daiga Grantina. Den Arbeiten beider Künstlerinnen liegt ein Transformationspotenzial zugrunde. Es lassen sich Parallelen im Verständnis einer Brückenfunktion von Bildern finden, die zwischen den unterschiedlichsten, sowohl historisch als auch räumlich weit voneinander entfernten Kulturen vermitteln. Gemeinsame Interessen sind auch am Wesen der Geometrie zu erkennen, wobei die Form nicht für sich steht, sondern sich mit fliessenden und naturbezogenen Elementen zusammenschliesst. So scheint es beiden Künstlerinnen weniger um eine Repräsentation von Natur zu gehen als vielmehr um einen Nachvollzug ihrer Wirkkräfte, ohne sie damit zu ordnen. Die Künstlerinnen finden eine Nähe zu unverfügbaren Dynamiken in der skulpturalen Übersetzung in neue und freie Formen. Lim mit ihren eigenen Grundelementen, Grantina in der Transformation ihres Ausgangsmaterials.
Buch, Tagung, Klangperformance
Es handelt sich um die erste Präsentation von Kim Lim in der Schweiz, die keine Retrospektive sein will, sondern ihr Werk aus einer künstlerischen Perspektive betrachtet. Die «Notizen» zu Lims Werk werden durch den Blick der Fotografin Katalin Deér (*1965, Palo Alto, Kalifornien, USA, lebt und arbeitet in St. Gallen, CH) und der Lyrikerin Ilma Rakusa (*1946, Rimavská Sobota, Tschechoslowakei, lebt und arbeitet in Zürich, CH) in einer Künstlerinnenpublikation fortgeführt. Das Buch versteht sich als poetische Erweiterung der Ausstellung und wird vom Pariser Grafiker Toan Vu-Huu gestaltet. Die Buchvernissage findet am 4. Mai 2025 im Rahmen eines Tagesprogramms im Kunstmuseum Appenzell statt. Am gleichen Tag wird die Klangkünstlerin und Komponistin Anna Zaradny (*1977, Szczecin, PL, lebt und arbeitet in Warschau, PL) ihre klangliche Notiz zum Projekt beitragen.
(Textgrundlage: Kunstmuseum Appenzell)