Alice Channer untersucht in ihren Skulpturen Beziehungen zwischen Materialien, Körpern, Maschinen und industriellen oder technologischen Verfahren. Sie kombiniert ihre hochindustrialisierten Objekte lustvoll mit der menschlichen Geste oder natürlichen Spuren wie körperliche oder geologische Überreste. arttv.ch trifft die neue Kuratorin Stefanie Gschwend und fragt, wie sich bei dieser ersten grossen Einzelausstellung ihre kuratorische Handschrift erkennen lässt.
Alice Channer bespielt künstlerisch das Appenzellerland
Die neue Kuratorin Stefanie Gschwend zeigt die britische Künstlerin im Kunstmuseum Appenzell und gleichzeitig in der Kunsthalle Appenzell.
Die Ausstellung wird neue Produktionen, darunter eine architektonische Intervention, mit einem Überblick über Skulpturen, Zeichnungen und Installationen aus dem letzten Jahrzehnt kombinieren und von einem monografischen Katalog mit einem Essay von Rosanna McLaughlin und einem experimentellen Text von Daisy Hildyard begleitet.
Heavy Metals / Silk Cut
Die Ausstellung von Alice Channer (*1977, Oxford, UK, lebt und arbeitet in London, UK) gliedert sich in zwei thematische, aber eng miteinander verbundene Teile: Die Ausstellung im Kunstmuseum mit dem Titel «Heavy Metals» zeigt Werke, die artifizielle Geologie, Industrie, Materialität, Schwerkraft und Anti-Schwerkraft miteinander verbinden. In der Kunsthalle konzentriert sich die Ausstellung mit dem Titel «Silk Cut» auf die fatalen und verführerischen Überschneidungen von Mode, Glamour und Gewalt. Über die zwei Gebäude des Kunstmuseums und der Kunsthalle Appenzell werden mehrere neue Werke gezeigt, darunter auch eine architektonische Intervention, die mit einem Überblick über Skulpturen, Zeichnungen und Installationen aus dem letzten Jahrzehnt ergänzt werden. Alice Channer giesst, biegt oder faltet Stoffe, zeichnet mit Zigarettenasche und manifestiert in ihren Erkundungen von Materialien und Prozessen die verborgenen Dimensionen der materiellen Welt. Sie bietet einen Blick auf das, was jenseits der Kategorien und Annahmen liegt, die unsere Wahrnehmung von Objekten und unsere Beziehung zu ihnen prägen. Channers Werke bestehen aus geologischen und natürlichen Materialien oder Repräsentationen natürlicher Elemente, wie beispielsweise Muschelschalen, Fingern oder Steinen. Diese verwandelt die Künstlerin in tiefgreifenden, synthetischen Verfahren, oft in professionellen Fabrikationsstätten, die nichts mit der Produktion von Kunst zu tun haben, wie zum Beispiel Anlagen für Farbbeschichtung oder die chemische Industrie. So beauftragte sie beispielsweise das Vakuum-Metallisieren der Hüllen von Seespinnen und Taschenkrebsen und liess die authentische Körperlichkeit dieser Objekte mit dem Resultat identischer, rhythmischer und mechanischer Arbeitsschritte kollidieren. Industrielle Herstellungsweisen, wie die Präzisionstechnik von CNC-Fräsen, mit der Aluminium in die gewünschte Form gebracht wird, oder Couture-Techniken, um Bilder geologischer Schichten in schwerem Crêpe de Chine zu falten, sind formgebend. Channer stellt Organisches und Künstliches, Biologisches und Industrielles schonungslos nebeneinander und baut die Spuren von Produktionsprozessen in die Sprache ihrer Skulpturen ein. Sie konfrontiert nicht nur ihre künstlerische Handschrift mit der kalten Ästhetik mechanischer Formung, sondern verweist mit diesen verführerischen und gleichzeitig brüchigen Exoskeletten auf die Fragilität der Ökologie.
Alice Channer (*1977, Oxford, UK, lebt und arbeitet in London, UK) absolvierte einen Bachelor in Fine Art am Goldsmiths College, London (2006), und einen Master in Skulptur am Royal College of Art, London (2008). Ihre Werke wurden ausgestellt an der Liverpool Biennale, UK (2021); der 55. Biennale von Venedig, IT (2013); und der Glasgow International, UK (2010). Sie hatte Solopräsentationen im Aspen Art Museum, Colorado, US (2015); in der Kestner Gesellschaft, Hannover, DE (2014); im Hepworth Wakefield, Yorkshire, UK (2013); Kunstverein Freiburg, DE (2013); und in der South London Gallery, UK (2012). Werke im öffentlichen Raum realisierte sie in Joshua Tree, CA, US (2022); der University of the West of England, UK (2021); und für Artangel, UK (2021). Sie war in zahlreichen Gruppenausstellungen repräsentiert, so in der Kunsthalle Hamburg, DE (2022/23); der Royal Academy of Arts, London, UK (2022); im Marta Herford, DE (2021); Yorkshire Sculpture Park, UK (2021); der Whitechapel Gallery, London, UK (2017/18); MO.CO. Panacée, Montpellier, FR (2018); im Museum Kurhaus Kleve, DE (2016); in der Whitworth Art Gallery, Manchester, UK (2016); der Aïshti Foundation, Beirut, LB (2015); im Public Art Fund, New York, US (2015); Fridericianum, Kassel, DE (2014), Künstlerhaus Graz, AT (2014); und in der Tate Britain, London, UK (2012).