Die Freilicht-Ausstellung verteilt sich über die ganze Gemeinde Safiental im Naturpark Beverin, von der Rheinschlucht bis zum Turrahus und hoch hinaus. Wie vielschichtig die archaisch-liebliche Berglandschaft mit den neuen Möglichkeiten digitaler Kunst zusammenspielt, kann man erwandern und erleben. Wenn mit dem diesjährigen Motto ‘Analog-Digital’ auch so manches aus der Cloud oder vom Handy kommt, sicher ist, dass die Landschaftskunst im Safiental starke Wurzeln geschlagen hat.
3. Art Safiental | Landschaftskunst von internationalem Format
- Publiziert am 21. Juli 2020
Bis am 1. November 2020 zeigt die 3. internationale Biennale Art Safiental 2020 zeitgenössische Landschaftskunst unter dem Motto ‘Analog-Digital’.
Tenna wird Zentrum für internationale Land und Environmental Art
Das im 2019 neu gegründete INSTITUTE FOR LAND AND ENVIRONMENTAL ART (ILEA) hat 2020 permanente Räume im Berghotel Alpenblick in Tenna bezogen. Damit hat die Forschung und künstlerische Produktion im Bereich Land Art und Environmental Art im Safiental dauerhaft ein Zuhause bekommen. Diesen Sommer können parallel zur Biennale im Hotel auch drei kleine Ausstellungen besichtigt werden.
Mit LANDSCAPE hat das ILEA bereits letzten Winter eine erste Publikation veröffentlicht, welche u.a. auch alle Werke der bisherigen Art Safiental Biennalen beinhaltet. Erhältlich ist es für 33 Franken beim Vexer Verlag St. Gallen (ISBN 978-3-909090-94-5). Ebenfalls vom ILEA veranstaltet werden die ALPS ART ACADEMY (internationale Sommerakademie, 24. September bis 3. Oktober 2020) und die ILEA TALKS (Symposium, 26./27. September 2020), welche auf Grund der aktuellen Situation dieses Jahr erst im Herbst stattfinden werden.
17 nationale und internationale Kunstschaffende
‘Analog-Digital’ wurde vor gut zwei Jahren als Motto für die 3. Art Safiental 2020 definiert. Damals ahnte niemand, dass die derzeitige Pandemie dieses Thema derart befeuert und nebst viel Leid auch grosse Innovationsschübe im Bereich der Digitalisierung verursacht. Organisiert wird die Art Safiental vom Naturpark Beverin, zusammen mit dem 2019 neu gegründeten Institute for Land and Environmental Art (ILEA). Der künstlerische Leiter Johannes M. Hedinger, der Biennale und Akademie im Jahr 2016 gründete und seither leitet, kuratiert auch die dritte Ausgabe der Art Safiental. Es ist ihm gelungen, über 17 nationale und internationale Kunstschaffende zu gewinnen, welche das Motto ‘Analog-Digital’ im Dialog mit der Landschaft, der Natur und dem alpinen Aussenraum in spannende Werke umsetzen.
Neuen Medien und Technologien
Dem Thema entsprechend wird aber nur ein Teil physisch und grossformatig ausfallen, teils sind sie auch an der Schnittstelle zwischen analog und digital angesiedelt, einige werden gar rein digitaler Natur sein. Spannend wird es auch sein, die sonst eher im urbanen Raum verbreiteten neuen Medien und Technologien im Bündner Bergtal zu erfahren. Die Palette der eingesetzten Medien reicht dabei von VR (Virtual Reality), AR (Augmented Reality) über Apps, Gamekultur, Social Media, Film mit und ohne Drohne, Audio-Walk und Performance bis hin zu handfesten Installationen, Skulptur, Fotografie und Malerei. Die meisten Werke können ohne technische Hilfsmittel erlebt werden. Für einige benötigt man jedoch ein Mobiltelefon und/oder man lädt vorgängig eine kostenlose App oder ein File herunter.
Digitale und immersive Formate
Art Safiental-Kurator Johannes M. Hedinger verrät: «Die Ausgabe 2020 ist anders als die beiden Vorgängerausstellungen. Neben bereits bekannten begeh- und benutzbaren Arbeiten gibt es neue digitale und immersive Formate und Technologien, die neue Sinne ansprechen und anders kommunizieren. Die volle Wirkung dieser Land Art-Ausstellung kann aber nach wie vor nur vor Ort im Safiental erlebt werden. Wenn heute physische Distanzierung unser Leben bestimmt, ist es nach wie vor entscheidend, dass wir uns mit Dingen und Atmosphären umgeben, die uns wirklich wichtig sind. So trifft auf der Art Safiental Natur auf Kunst. Die so geschaffenen Räume verbinden Alltägliches und Aussergewöhnliches und rufen lebendige Wahrnehmungen, Reflexion und Engagement hervor.»
Das Bergtal als Inspirationsquelle und Atelier
Einige der Kunstschaffenden entwickeln ihre Arbeit bereits seit über einem Jahr. So nutzte etwa die Französin Melodie Mousset letzten Sommer die Wartungsarbeiten der Kraftwerke Zervreila, um im leeren Wasserstollen über 7 Kilometer von Safien Platz nach Thalkirch durch den Berg zu laufen. Dabei entstanden ein Film und Fotoarbeiten. Der Glarner Patrick Rohner tastete mit einer Drohne das Delta der Rabiusa beim Eintritt in die Reinschlucht ab. Seine mehrteilige Arbeit ‘Die Natur kennt keine Katastrophen’ thematisiert den Klimawandel im Safiental – und verknüpft diesen mit einer ähnlichen Situation im Bergell, wo Rohner den zweiten Teil der Arbeit an der zeitgleich stattfindenden Biennale Bregaglia 2020 präsentiert und so die beiden Biennalen verbindet. Die unweit des Safientals in Castrisch ansässige Fotokünstlerin Ester Vonplon wird direkt in der Natur ihre Fotopapiere belichten und diese teils digital weiterbearbeiten. Der Basler Künstler Denis Handschin absolvierte eine Ausbildung zum Schafhirten, inklusive Praktikum bei Simon Buchli in Zalön. Von der diesjährigen Alpsaison wird er in seinen ‘daily sheep news’ berichten und zwar sowohl analog wie auch digital.
Neueste Technologien in ursprünglicher Landschaft
Der Deutsche Manuel Rossner nistet sich mit seinem Hochleistungsrechner in einem Safier Stall ein. Die Besucher können mit einer Videobrille in ein 3D-Modell des Safientals eintauchen und dort digitale Skulpturen des Künstlers virtuell erwandern. Durchaus körperlich geht es dagegen bei der Virtual Reality- Installation des dreiköpfigen Künstlerkollektivs Fragmentin aus Lausanne zu: Auf dem 2283 m hohen Schlüechtli stösst man auf eine solarbetriebene Wetterstation. Durch das VR-Headset kann man nicht nur die reale Landschaft digitalisiert erleben, auch Wetterdaten werden vom Rechner sichtbar gemacht. Die Amerikanerin Nancy Baker Cahill arbeitet mit Augmented Reality (AR) und lässt Besucher ihre 3D-Werke über die App «Fourth Wall» in freier Natur erleben. Der Bünder Curdin Tones und der Holländer Jan Robert Leegte erschaffen mit AR-Kunst zwei Hausfassaden in Valendas und in Camanaboda neu. Auch das erlebt man mit dem Smartphone oder Tablett nur vor Ort. Die junge Zürcherin Sara Rutz wird während der Biennale als erste Artist in Residence das Künstlerzimmer des Institutes ILEA im Berghotel Alpenblick in Tenna bewohnen. Sie wird ein nonlineares Game entwickeln. Dazu scannt sie mit einem 3D-Model-Scanner die Landschaft und Natur und baut daraus eine interaktive digitale «Scavenger Hunt» (Schnitzeljagd). Zurück ins Analoge führt die Installation “ctrl + s (prekäre Stellen)” des jüngst mit dem Bündner Kunstpreis ausgezeichneten Duos frölicher / bietenhader. Der an eine digitale Bildstörung und ein korruptes Bild erinnernde, aber real nachgebaute Pixelfehler umhüllt einen alten Walser Stall oberhalb Bäch. Drohnen sind ein aktuelles Thema, wenn man die militärischen auch kaum zu sehen bekommt. Dies ändert der britische Künstler James Bridle in den engen Gassen von Valendas, wenn er mit «Drone Shadows» deren bedrohlich grossen Umrisse nachzeichnet.
Sinnliche und partizipative Projekte
Sehr feine Arbeiten wird Bruno Jakob beisteuern, der leere weisse Leinwände sich selber malen lässt und Betrachter damit auf einer spiritistischen Ebene anspricht. Mit mehreren Audio-Walks lädt die Zürcher Performerin Lucie Tuma zum Spaziergang und einer Geschichte mit ihrem Alter Ego Amber Tardis. Die Genfer Künstlerin Marie Velardi positioniert an zwei Stellen im Tal Wanderwegweiser, welche die Distanz zum Erdmittelpunkt und zum Ende der Erdatmosphäre anzeigen, und so auch auf die eigene Kleinheit hinweisen. Der Appenzeller Netzwerker und Konzeptkünstler H.R. Fricker liebt Steine. Dieses Jahr sammelt er die Lieblingssteine der Einheimischen mitsamt den dazugehörenden Geschichten und stellt diese als Leihgaben in Versam aus. 2020 kommt auch die beliebte Bergkanzel samt Gästebuch zurück. Nachdem die vom Künstlerduo Com&Com (Marcus Gossolt & Johannes M. Hedinger) geschaffene Holzbox 2016 ganz hinten im Tal und 2018 ganz vorne im Versamertobel auftauchte, wird sie 2020 vom Glaspass einen ganz neuen Einblick ins Safiental vermitteln.
*Die Art Safiental mit einem Aufenthalt verbinden E
Praktisch alle Werke der Art Safiental 2020 sind durch Wanderwege erschlossen, teilweise kann man auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Privatwagen hin, respektive in die Nähe gelangen. Wer alle Werke besuchen möchte, plant mindestens zwei Tage ein. Einige Hotels im Tal bieten neu Art Safiental-Pakete an. Benedikt Joos, Projektleiter Produktmanagement und Kultur Naturpark Beverin, freut sich: «Die Art Safiental rückt die intakte Natur- und Kulturlandschaft im Safiental in den Fokus und verbindet auf beispielhafte Weise nachhaltige Entwicklung mit Innovation und natur- und kulturnahen Tourismus mit internationaler Ausstrahlung.»