Biopics von Künstler:innen sind beinahe schon zu einem eigenen Filmgenre geworden, doch die filmische Aufarbeitung der oft eigenwilligen, schicksalsbehafteten und immer im Zeitgeist agierenden Persönlichkeiten beschränkt sich bislang auf den sehr männlich dominierten Kanon. MIT EINEM TIGER SCHLAFEN von Anja Salomonowitz setzt hier einen Kontrapunkt und widmet sich dem Leben der österreichischen Malerin Maria Lassnig.
MIT EINEM TIGER SCHLAFEN
MIT EINEM TIGER SCHLAFEN | SYNOPSIS
Ein Gemälde. Grün von Nadelbäumen, erdige Töne von trockenen Wiesen und Kirchenwänden. Im Licht, das durch das Fenster des Bauernhauses der Grossmutter fällt, in dem Maria Lassnig ihre Kindheit verbringt, strahlt die Strickjacke ein erstes Mal himmelblau, strahlt wie nicht von dieser Welt. Aufgewachsen im Süden Österreichs, verschlägt es Lassnig via Wiener Kunstakademie in die dortige Kunstszene der Nachkriegszeit. Himmelblau, Rosa, Jadegrün, fleischiges Rot. Schweigsam, störrisch zwischen Männern, die sich zu gerne reden hören, fühlt sie in ihren Körper hinein und blickt auf die Welt. Sie malt. Sie filmt. Erbarmungslos und mit Schalk. Zäh baut sie ihre Karriere auf. Sie weiss um den Wert ihrer Malerei, lange bevor die Kunstwelt mit ihrem Urteil nachzieht. Birgit Minichmayr verkörpert die Künstlerin Maria Lassnig in Anja Salomonowitz’ filmischer Hommage durch alle Altersstufen und psychischen Verfassungen, stellt der «body awareness» von Lassnigs Kunst einen Körper an die Seite, der die Kunst hervorbringt. Ein schräg und komplex arrangiertes Biopic in hybrider Form: Spielszenen und dokumentarische Sequenzen greifen ineinander. Real sind die Bilder.

MIT EINEM TIGER SCHLAFEN | REZENSION
Für uns gesehen hat den Film Doris Senn
Pionierin der «Body Awareness»
In ihrem Film MIT EINEM TIGER SCHLAFEN beleuchtet Anja Salomonowitz das Leben und Werk der vor zehn Jahren verstorbenen Malerin Maria Lassnig (1919–2014). In einer eindringlichen Performance erweckt Birgit Minichmayr die österreichische Künstlerin zum Leben. Salomonowitz verbindet geschickt Reenactments mit dokumentarischen Szenen, sodass Kindheit und Erwachsenenleben nahtlos ineinanderfliessen.
Kampf an der Akademie
Maria Lassnig, in Kärnten geboren, begann ihre Karriere zunächst als Volksschullehrerin, bevor sie mit 22 Jahren an die Wiener Akademie der bildenden Künste wechselte. Dort wurde ihre Malerei von einem Professor zunächst als “entartet” eingestuft, woraufhin sie die Klasse wechselte.
Der Schmerz, auf die Leinwand gebracht
Besonders prägend war die Beziehung zu ihrer Mutter, die das Kind mit Entzug und Geringschätzung strafte. Minichmayr zeigt eindrücklich, wie Lassnig – oft nur in Unterwäsche – diesen Schmerz buchstäblich von sich malte. So entstanden ihre aufwühlenden “Body Awareness”-Bilder, die ihr zu Ruhm verhalfen.
Späte internationale Anerkennung
Lassnigs Weg an die internationale Spitze war lang. Sie war eine Pionierin der “Body-Awareness”-Malerei, die den eigenen Körper und dessen Empfindungen in den Mittelpunkt stellte. Erst spät, im Alter von 60 Jahren, erfuhr sie breite öffentliche Anerkennung, als sie 1980 als erste Künstlerin überhaupt Österreich auf der Biennale in Venedig repräsentierte und im selben Jahr eine Professur an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien erhielt.
In ihren späten Jahren folgten zahlreiche weitere Auszeichnungen, darunter der Grosse Österreichische Staatspreis (als erste Frau) 1988 und der Goldene Löwe für ihr Lebenswerk auf der Biennale von Venedig im Jahr 2013. Ihr umfassendes Werk, das auch Animationsfilme und Grafiken umfasst, macht sie zu einer der bedeutendsten europäischen Künstlerinnen der Gegenwart.
Fazit: Eine starke filmische Hommage an eine Ausnahmekünstlerin
