Biopics von Künstler:innen sind beinahe schon zu einem eigenen Filmgenre geworden, doch noch konzentriert sich die filmische Aufarbeitung der oft eigenwilligen, schicksalsbehafteten und immer im Zeitgeist agierenden Persönlichkeiten auf den sehr männlich dominierten Kanon. MIT EINEM TIGER SCHLAFEN von Anja Salomonowitz stellt dem etwas entgegen und widmet sich dem Leben der österreichischen Malerin Maria Lassnig.
MIT EINEM TIGER SCHLAFEN
Synopsis
Ein Gemälde. Grün von Nadelbäumen, erdige Töne von trockenen Wiesen und Kirchenwänden. Im Licht, das durch das Fenster des Bauernhauses der Grossmutter fällt, in dem Maria Lassnig ihre Kindheit verbringt, strahlt die Strickjacke ein erstes Mal himmelblau, strahlt wie nicht von dieser Welt. Aufgewachsen im Süden Österreichs, verschlägt es Lassnig via Wiener Kunstakademie in die dortige Kunstszene der Nachkriegszeit. Himmelblau, Rosa, Jadegrün, fleischiges Rot. Schweigsam, störrisch zwischen Männern, die sich zu gerne reden hören, fühlt sie in ihren Körper hinein und blickt auf die Welt. Sie malt. Sie filmt. Erbarmungslos und mit Schalk. Zäh baut sie ihre Karriere auf. Sie weiss um den Wert ihrer Malerei, lange bevor die Kunstwelt mit ihrem Urteil nachzieht. Birgit Minichmayr verkörpert die Künstlerin Maria Lassnig in Anja Salomonowitz’ filmischer Hommage durch alle Altersstufen und psychischen Verfassungen, stellt der «body awareness» von Lassnigs Kunst einen Körper an die Seite, der die Kunst hervorbringt. Ein schräg und komplex arrangiertes Biopic in hybrider Form: Spielszenen und dokumentarische Sequenzen greifen ineinander. Real sind die Bilder. (Berlinale)
MIT EINEM TIGER SCHLAFEN | Kurzrezension von Doris Senn
MIT EINEM TIGER SCHLAFEN von Anja Salomonowitz erzählt das Leben und Schaffen Maria Lassnigs, der vor zehn Jahren in hohem Alter verstorbenen avantgardistischen Malerin. In einer grossartigen Performance erweckt Birgit Minichmayer die österreichische Künstlerin zum Leben und lässt in einer Mischung aus Reenactment, dokumentarischen Szenen und Werkinszenierung deren Kindheit und Erwachsensein ineinanderfliessen. Als lebenslang prägend erwies sich demnach für die Künstlerin die Mutter, die die kleine Maria immer wieder mit Liebesentzug und Geringschätzung bestrafte. Minichmayr zeigt eindringlich, wie sich Lassnig – oft nur in Unterhemd und -hose –, den Schmerz buchstäblich vom Leib malte und so ihre aufwühlenden «Body Awareness»-Bilder schuf, die sie berühmt machten.