Operette aus der silbernen Ära, gefällig und opulent dargeboten, aber ohne an der lackierten Oberfläche zu ritzen.
Winterthur | Der Graf von Luxemburg
- Publiziert am 6. September 2008
Kritik:
Wer leichtfüssige Operette in opulenter Ausstattung mag, ist mit der Aufführung in Winterthur bestens bedient. Herrliche Kostüme im Stil der 20er Jahre, drei grossartige, detailverliebte Bühnenbilder (William Orlandi) und eine Regie, welche die skurrile Geschichte geradlinig und mit einigem Augenzwinkern erzählt, bescheren einen vergnüglichen Abend.
Im Bühnenbild des ersten Aktes könnte man auch Puccinis Bohème spielen (Puccini und Lehár waren befreundet), der zweite Akt spielt in einer Gemäldesammlung weiblicher Akte, von Modigliani bis Renoir, die Verwandlung auf offener Bühne zum Hotelfoyer des dritten Aktes ist eine faszinierende Meisterleistung der Bühnentechnik.
Sängerisch bleiben bei den Damen keine Wünsche offen. Christiane Kohl offenbart nach ihrer wunderbaren Christine in Intermezzo einen weiteren Beweis ihres Könnens. Ihre Angèle wirkt zwar anfänglich etwas kühl und distanziert, doch ihre herrliche Sopranstimme vermag zu begeistern. Ebenso silbern klingt Rebeca Olvera in der Soubrettenpartie der Juliette. Liuba Chuchrova hat einen umwerfend komischen Auftritt als Vodka trinkende und Männer verzehrende Fürstin Kokozow im dritten Akt.
Bei den Herren überzeugt Andreas Winkler in der Buffopartie des Malers Brissard. Sein wunderbar leicht geführter, makelloser Spieltenor ist für solche Rollen geradezu ideal.
Der Titelheld wird vom jungen Schweden Johan Weigel sympathisch gestaltet. In seiner grossen Arie im zweiten Akt (Trèfle incarnat) brilliert er mit einem wahrlich fulminanten, an Richard Tauber erinnernden Schlusston. Leider war seine Intonation an anderen Stellen nicht immer so ungetrübt. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese in den kommenden Aufführungen noch verbessern wird.
Peter Straka gibt den ältlichen Lüstling mit viel Augenrollen und konventionellen Operettengesten: Beim Tanzen und beim Bücken muss er sich ständig ins Kreuz fassen. Stimmlich hingegen hat sich der verdiente Sänger hier geradezu eine Paradepartie erschlossen.
Die musikalische Leitung liegt in den Händen von Ralf Weikert, der die Partitur zusammen mit dem sorgfältig musizierenden Musikkollegium Winterthur zu Recht ernst nimmt, viele schöne Details herausarbeitet und doch die leicht schwebende Walzerstimmung nicht unterbricht.
Zum Schluss regnet es Silberplättchen vom Bühnenhimmel, die Ära der silbernen Operette ist auferstanden – und doch fragt man sich, ob das nun wirklich alles gewesen sein soll, was aus dem Werk herauszuholen ist. Nach Konwitschnys und Wernickes grossartigen Regietaten im Bereich der Operette verharrt Helmuth Lohners Arbeit allzu sehr an der Oberfläche der Gefälligkeit; trotz einigen witzigen neuen Dialogen fehlen Doppelbödigkeit und Sarkasmus. Etwas mehr Biss wäre durchaus wünschenswert gewesen.
Fazit:
Gefälliger Operettenabend, opulent, aber ohne Biss.
Werk:
Nach dem Erfolg der Lustigen Witwe konnte sich Lehár vor Aufträgen kaum retten, alles musste schnell gehen. Franz Lehár war quasi der Lloyd-Webber seiner Zeit. Mit dem Grafen von Luxemburg knüpfte er an die Tradition der Salonoperette an, ernstes Paar, Buffopaar, alter Lüstling und erotisch-laszives Geplänkel. Lehár, der im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen ein versierter Instrumentierer war, überliess bei diesem Werk anscheinend einen Grossteil der Instrumentierung ausgerechnet Arnold Schönberg, was in manch reizvoller harmonischer Wendung durchaus zu hören ist. Ansonsten herrscht eine manchmal ermüdende Walzerseligkeit vor, insbesondere der valse moderato nimmt einen grossen Anteil der Partitur ein.
Als Lieblingskomponist Hitlers bearbeitete Lehár 1937 das Werk für das Berliner Theater des Volkes. Diese Fassung ist heute gebräuchlich und wird auch in Winterthur gespielt.
Synopsis:
Fürst Basil Basilowitsch hat sich in die Sängerin Angèle Didier verliebt, doch ist es ihm untersagt, eine Frau niedrigen Standes zu ehelichen.
Da kommt ihm der verarmte Lebemann Graf René von Luxemburg gerade recht. Basil unterbreitet ihm ein unmoralisches Angebot: Für eine halbe Million soll der Graf die Sängerin pro forma zu seiner Frau machen und sich nach drei Monaten von ihr wieder scheiden lassen. Die Frau befände sich dann im Adelsstand, was ihm, Basil, die Heirat selbst ermöglichen würde.
Während der Hochzeitszeremonie kann René keinen Blick auf die Gemahlin werfen, danach muss er in Paris untertauchen.
Die vereinbarten drei Monaten sind beinahe vergangen, als der Zufall René in den Wintergarten des Palais der Sängerin verschlägt, wo diese gerade auftritt. Er verliebt sich auf Anhieb in die unbekannte Sängerin und auch Angèle findet Gefallen an ihm.Die Wahrheit kommt ans Licht, beide erkennen, dass sie aus niedrigen Beweggründen gehandelt haben. Doch wie umgeht man den Wortbruch Renés?
Da hilft die Operettenlösung. Die Gräfin Kokozow taucht auf, schnappt sich Basil wieder, der ihr schon einmal die Ehe versprochen hatte. Dem Glück des Liebepaares steht nichts mehr im Wege.
Musikalische Höhepunkte:
Mädel klein, Mädel fein
Bist Du’s, lachendes Glück, das jetzt vorüberschwebt…
Lieber Freund, man greift nicht nach den Sternen
Sie geht links, er geht rechts, Mann und Frau, jeder möcht’s, ideal ist solche Ehe, schmerzlos ohne jedes Wehe!
Trèfle incarnat
Unbekannt, darum nicht minder interessant.
Für art-tv: © Kaspar Sannemann, 5. September 2008