Regisseurin Ursina Greuel und vier Spielende blicken in ihrer Familienkomödie liebevoll und satirisch auf Themen wie Care-Arbeit, Erbe und Selbstbestimmung im Alter. Das Stück in dem es um einen alternden und (scheinbar) dementen Vater, seine erwachsenen Kinder und eine Pflegerin aus dem ehemaligen Ostblock geht, ist genauso amüsant wie gesellschaftlich brisant.
Wie gehen wir hierzulande mit unseren alternden Eltern um?
- Publiziert am 26. Oktober 2025
Myriam Prongué war eine prägende Figur der Schweizer Kultur- und Theaterszene. Sie war von 2010 bis 2014 Co-Leiterin am Schlachthaus Theater Bern und leitete von 2014 bis 2019 die Theaterförderung bei der Kulturstiftung Pro Helvetia. 2019 starb sie an Krebs. Nur wenige wussten, dass sie schrieb; die Uraufführung von «Biber» ist auch als Würdigung einer bis anhin unbekannten Autorin zu verstehen.
Schauspieler:innen mit Migrationsbiografi
Mit Robert Baranowski, Eleni Haupt, Beren Tuna und Monika Varga hat Ursina Greuel ein eingespieltes Ensemble versammelt. Alle Schauspieler:innen bringen eine Migrationsbiografie mit – ein Umstand, der die Auseinandersetzung mit Fragen des Alterns und des familiären Umgangs über kulturelle Grenzen hinweg vielschichtig bereichert.
Besonders prägnant ist die Besetzung des alternden Vaters mit Eleni Haupt. Durch die Verkörperung dieser Männerrolle durch eine Frau entsteht eine produktive Distanz zwischen Figur und Darstellerin: Der komödiantische Zugang wird erleichtert, ohne den Vater blosszustellen. Haupt kann die Gebrechlichkeit und Eigenwilligkeit der Figur voll ausspielen – und gerade weil sie eine Frau ist, erlaubt dies ein befreiendes Lachen über die Situation –
und nicht über einen realen alten Mann. Dieses Prinzip der Verfremdung macht den Humor leichter zugänglich.

Regisseurin Ursina Greuel zum Stück
«Biber oder das wilde Tierleben» zeigt humorvoll und zugleich schonungslos, wie wir, sagen wir mal die Mittvierziger, mit der Generation unserer Eltern umgehen. Aber das Stück macht keine Schuldzuweisungen. Denn das Modell der Kleinfamilie wirft jede Person auf ihren eigenen Mikrokosmos und den damit verbundenen Stress zurück: Der Sohn ist überfordert mit seiner Rolle als Familienernährer und Vater, die Tochter steht kurz vor einem möglichen Karrieresprung und muss sich daher beruflich voll einbringen. Sie haben tatsächlich keine Zeit und stehen stellvertretend für die sogenannte Sandwich-Generation — Kinder, die zwischen ihren eigenen Verpflichtungen und der Sorge um die alternden Eltern zerrieben werden. Das schlechte Gewissen den Eltern gegenüber, die Sorge um das eigene Privatleben, der Druck aus dem Berufsleben – das alles führt zu einem Stress, der eine wunderbare Grundspannung liefert für eine Komödie. Und wenn dann auch noch das Erbe zu verschwinden droht, bricht die Fassade auf. Denn das Stück stellt auch die Frage nach Würde im Alter, nach Selbstbestimmung und dem Recht, selbst über sein Geld zu entscheiden. Die Frage nach finanzieller Selbstbestimmung im Alter ist hochbrisant! Das unhinterfragte Recht der Kinder auf ein Erbe wird in «Biber» auf humoristische Art in Frage gestellt. Ein weiteres Thema wird mit der Figur von Rita angeschnitten, der Pflegerin aus der Slowakei: Die hiesige Realität in der Care-Arbeit. Ohne günstige Care-Arbeiter:innen aus dem Ausland würden viele Familien zusammenbrechen. Rita ist der bodenständige Gegenpart zu den nervösen Kindern: Pragmatisch, schlagfertig, herzlich und geschäftstüchtig nimmt sie die Situationen wie sie sind und macht das Beste draus. Mit grosser Virtuosität verwandelt die Autorin ernste Themen, Empathie und Gesellschaftskritik in komödiantische Szenen – dies macht das Stück für mich als Regisseurin so reizvoll.



