Eine Schar namhafter Schauspieler*innen bewahrte Zürich damals davor, in den kulturellen Sommerschlaf zu fallen. 2017 feierte die Ballade dank einer Gruppe rund um den Unterhaltungskünstler Christian Jott Jenny ihr Revival und sorgt für ausverkaufte Vorstellungen. Drei Jahre später knüpfen dieselben Macher an den Erfolg an und wecken mit «einem sommerlichen Grippenspiel» die Zürcher Theaterkultur aus dem Corona-Schlaf.
Trittligasse | Ein sommerliches Grippenspiel
- Publiziert am 20. August 2020
Ganz oben an der Zürcher Trittligasse, liegt ein kleines Pflastersteinplätzchen, das in den 60er-Jahren als Spielort der «Zürcher Ballade» diente.
Die «Zürcher Ballade»
1960 rief der Schweizer Theaterproduzent Edi Baur die «Zürcher Ballade» an der Trittligasse ins Leben und gilt damit als eigentlicher Vater der Open-Air-Theater-Bewegung in der Schweiz. Baur scharte eine Handvoll populärer Schauspieler*innen um sich, welche die Ereignisse aus dem vergangenen Jahr humoristisch und musikalisch Revue passieren liessen. Auf der Bühne, die auf dem kleinen Plätzchen an der Trittligasse gleich unterhalb der Villa Tobler errichtet wurde, standen Theatergrössen wie Ruedi Walter, Margrit Rainer, Ines Torelli, Inigo Gallo, Jörg Schneider, Paul Bühlmann und viele mehr. 580 Gästen bot das Altstadttheater Platz. Hits wie «I de Mitti vo de City» erlebten hier ihre Geburtsstunde. Die «Monster-Gala- Super-Show», wie der damalige Mitautor Werner Wollenberger die «Zürcher Ballade» einmal bezeichnete, räumte allerhand Unrat, der sich während des Jahres in Zürich angesammelt hatte, auf und rechnete mehr oder minder liebenswürdig mit dem reizenden Grossstädtchen, seinen Fehlern und seinen Unarten ab. Überzeugt von der Devise, dass es zwischen der Langstrasse und Tiefenbrunnen wirklich «nüüt Gschpässigers als d`Lüüt» gebe. Doch wie angriffig das Programm auch immer sein mochte – zum guten und versöhnlichen Ende stimmte die Truppe stets ihren Hymnus auf die «Trittligasse» an, auf den wundervollen Platz «i de Mitti vo de City», im Herzen der Gernegrossstadt Zürich, die sich an der Trittligasse eine
Insel der Ruhe und des Friedens bewahrt hat.
Jedes zweite Jahr sollte die Ballade im Niederdorf aufgeführt werden. Aber schon nach der zweiten Austragung 1962 war die Toleranzgrenze der Anwohner überschritten, sodass die Bühne ins Seefeld verlegt werden musste. Klamauk an der Trittligasse abends bei schönem Wetter während dreier Monate überstrapazierte die Geduld der Altstadtbevölkerung. Doch auch der Versuch, die Ballade an der Höschgasse vor der Villa Egli stattfinden zu lassen, erwies sich nicht als Rettungsanker der jungen Institution. Baur und seine Gaukler liessen nach der dritten Durchführung vom Vorhaben ab, was der einstweilige Tod der «Zürcher Ballade» bedeutete …
Werner-Wollenberger-Stiftung
Die Stiftung verwaltet den literarischen Nachlass von Werner Wollenberger. Das journalistische und kabarettistische Werk des begnadeten Publizisten umfasst Tausende von gedruckten Texten und Originalmanuskripten. Seine Arbeit aus den 1950er, 1960er und 1970er Jahren soll einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und auch für künftige Generationen eine Fundgrube an heiterer, scharfzüngiger und zeitunabhängiger Weltbetrachtung sein.
Weitere Informationen: www.wollenbergerstiftung.ch
Vom 27. August bis 13. September 2020 heisst es wieder «Willkommen zum Freilichtspiel Trittligass». Die Künstlergruppe nimmt den Faden der 60er-Jahre wieder auf und lässt neue Melodien im Zauber der alten bekannten Züri-Chansons erklingen.
1960 entwickelten die Grössen der lokalen Unterhaltungsszene (Ruedi Walter, Margrit Rainer und Konsorten) die grossartige Idee, den kulturlosen Zürcher Sommer mit einem Freiluft-Musiktheater zu beseelen. Die «Zürcher Ballade» an der Trittligasse war geboren: Eine eigens für diese Gelegenheit produzierte Revue unterhielt die zahlreichen Besucherinnen und Besucher bestens – und das eben «i de Mitti vo de City».
Dann weckte das Amt für Ideen diese waghalsige Idee aus dem Dornröschenschlaf. So entstand 2017 eine neue Zürcher Ballade. Das Stück «Trittligass». Eine neue Geschichte wurde erzählt, verbunden mit den Zürcher Liedern und Chansons von damals. Der Zuschauererfolg im Oberdorf war auch 2017 enorm.
Nun, genau 60 Jahre nach der Premiere, droht Zürich erneut ein Sommer ohne das für gewöhnlich üppige Kulturprogramm. Der perfekte Zeitpunkt also, um für drei angenehme Sommerwochenenden das lauschige Plätzchen an der Trittligasse mit einer neuen Geschichte zu bespielen. Die Fackel von 1960 wird sinngemäss weitergetragen. Ein neues Stück wurde geschrieben, erstmals auch neue Chansons komponiert und – sensationell – alte, unbekannte Stücke gelangen zur Uraufführung. Das Endergebnis ist ein Musiktheater gespickt mit Zürcher Themen und einer gehörigen Portion Selbstironie.