Wie auf dem Seziertisch werden die Figuren von allen Augen beobachtet und zergliedert. Das Anatomische Theater schafft Platz für klare Bilder und bietet den gewaltigen Stimmen den geeigneten Raum.
Theater St. Gallen | Un ballo in maschera
Kritik
Kraftvoll, sinnlich und emotional ungemein berührend ist sie, die Musik, welche Giuseppe Verdi zum Drama des der Liebe entsagenden Königs Gustav III. schrieb. Über Verdis Theaterkönig legt sich auch der Schatten der historischen Figur: War der absolutistische Monarch nun hetero-, homo-, bi- oder gar asexuell? Litt er an ödipalen Komplexen? Zerbrach er innerlich an den Anspruchshaltungen, welche die Öffentlichkeit an einen Würdenträger hegt, den sie dann auch wankelmütig fallen lässt, sobald auch nur der Schatten eines Skandals auftaucht? Solche an sich interessante Fragen stellt sich Regisseur Jim Lucassen zu Recht im Programmheft und versucht in seiner Inszenierung die Konstellation analytisch-sezierend zu ergründen. Die musikalische Seite bescherte dem Publikum einen Verdi-Genuss allererster Güte! Der zukünftige GMD der Komischen Oper Berlin, Henrik Nánási, und das Sinfonieorchester St.Gallen entlockten Verdis genialer Partitur viel Farbe, Dramatik und Emotion.
Werk
UN BALLO IN MASCHERA stellt den Höhepunkt von Verdis mittlerer Schaffensperiode dar, welche mit der Trias RIGOLETTO/TRAVIATA/TROVATORE begonnen hatte. Zum letzten Mal musste sich Verdi im Entstehungsprozess mit der Zensurbehörde herumschlagen. Neapel, das damals noch von den Bourbonen regiert wurde, lehnte das Werk in dieser Form ab, da ein Königsmord auf offener Bühne unvorstellbar war. Musikalisch verharrt Verdi zwar noch bei der traditionellen Nummernoper, doch sind die einzelnen Szenen erfüllt von musikdramaturgischem Sinn, raffinierten tonartlichen Bezügen und begleitet von Erinnerungsmotiven mit grossem Wiedererkennungswert.
Weiterlesen auf oper-aktuell | Kaspar Sannemann