Es ist unsicherer geworden in der Hölle, seit Bin Laden gestorben ist. Auch in Thiels 4. schwarzer Satire geht es um Politik, Tod und Champagner.
Theater am Hechtplatz | Andreas Thiel
Warum Wein und nicht Champagner
Während uns Andreas Thiel das Böse erklärt, suchen tausendäugige Fesselballonfische mit langen, hängenden Zungen in der Tiefe des Ozeans nach leuchtenden Feuerdornquallen. Die Welt ist böse. Thiel versucht, in seiner zweiten Inkarnation als Rudolf Steiner, sich die Welt wieder schönzutrinken. Dadurch wird sie zwar nicht besser aber lustiger. Dabei überkommen ihn erstaunliche Gedanken wie etwa die Frage, warum Jesus an der Hochzeit zu Kana das Wasser nicht in Champagner verwandelt hat. Noch bemerkenswerter als Thiels Fragen sind seine Antworten. Sekundiert wird der Satiriker ohne Furcht und Tadel wie immer von Les Papillons, den bekannten Scharfschützen aus dem Orchestergraben, die unter Pauken- und Trommelwirbel die Bühne stürmen. Der Klavierkavallerist Michael Giertz und der Geigenbogenfechter Giovanni Reber feuern imposante Leuchtraketen aus der Musikliteratur ab.
Vier Fragen an Andreas Thiel
1) Du bist vor drei Jahren nach Island gezogen, jetzt lebst du in Indien. Dein künstlerisches und literarisches Schaffen fusst aber in der Schweiz. Ist diese räumliche Distanz Fluch oder Segen für deine Arbeit?
Die geografische Entfernung ist bereichernd. Sie bewahrt mich davor, mich in den Details der Tagespolitik zu verlieren und ermöglicht mir einen Blick auf das grosse Ganze. Mich interessieren die grundlegenden Strukturen und Zusammenhänge unserer Welt mehr als die Tagespolitik. Ausserdem macht man im Ausland wertvolle Erfahrungen. So haben wir etwa in Indien drei Wochen in einer streng gläubigen muslimischen Familie gelebt, wo die Frauen in Burkas gekleidet waren. Wenn man das Leben da so miterlebt, bekommt man natürlich einen anderen Blick auf die Dinge. Ich habe den Koran gelesen, habe mich mit dem Buddhismus auseinandergesetzt und mit altindischer Philosophie beschäftigt. Das fliesst alles in mein neues Programm. Es geht nicht um politische Kleinkrämereien, sondern um grosse Bögen. Um Gut und Böse, Hass und Liebe, Leben und Tod.
2) In den Ankündigungen zu deinen Politsatiren fällt ein kämpferischer Unterton auf. Es ist von blutigen Schwertern die Rede, von Floretten oder Morgensternen. Muss ein Satiriker ein Kämpfer sein?
Ja unbedingt. Satire ist eine Stichwaffe, mit der man nichts anderes als kämpfen kann. Es wäre mir zum Beispiel nicht möglich, eine Satire über die Frisur von Eveline Widmer-Schlumpf zu machen. Denn diese Waffe ist zu scharf für so banale Themen. Das wäre wie wenn ich mit Kanonen auf Spatzen schiessen würde. Daher muss ich mit meinen Stücken auch die grossen Themen bedienen.
3) Darf Satire alles? Oder gibt es Tabus, die zu beachten sind?
Ich persönlich habe Grenzen, die ich nicht überschreite. Aber die betrachte ich als Privatsache. Grundsätzlich darf Satire alles. Das ist sehr wichtig. Solange ich nicht gewalttätig werde, sondern verbal kämpfe, gibt es keine Grenzen ausser derjenigen, die ich mir selber setze und freiwillig beachte. Meine Grenzen liegen bei der Blasphemie, ich werde nie blasphemisch. Beim Stil – das Publikum hat ein Anrecht auf handwerklich gut gemachte, schöne Texte – und bei der Wahrheit. Ich stelle die Pointen in den Dienst meiner Überzeugung und gebe nicht die Überzeugung auf für eine Pointe. Eine Pointe darf in meinen Augen nie Selbstzweck sein.
4) Und wo liegen diese Überzeugungen? Du nennst deine Programme «Politsatiren». Und wirst natürlich dementsprechend schnell auch politisch eingeordnet. Wie gehst du mit solchen Etikettierungsversuchen um?
Mich stören die nicht. Ich selber würde mich als liberalen Künstler bezeichnen. Ich strebe ein Maximum an Freiheit und Selbstverantwortung an. Aber meine Überzeugungen lassen sich nicht parteipolitisch einordnen. Ich passe in kein Schema. So bin ich zum Beispiel Vegetarier und klarer Tierversuchsgegner, ich bin strikt gegen den EU-Beitritt, gleichzeitig aber auch gegen Grossbauernbetriebe. Je nach Vorlage stimme ich manchmal für die SVP, dann wieder grün. Aber ich habe eine liberale Grundhaltung. Ich bin zwar Vegetarier, aber ich würde nie für ein Gesetz stimmen, welches alle zum Vegetarismus zwingt. Es soll so wenig wie möglich reglementiert werden, und Staat und Verwaltung sollen so klein wie möglich sein.
Das Gespräch führte Charlotte Staehelin, Theater am Hechtplatz