In Südkorea bedeutet eine Verbeugung Ehrfurcht und Respekt. Oder man verbeugt sich, um jemanden zu begrüssen. Die koreanische Choreografien Jeon Misook hat dazu ein ungewöhnliches Tanzstück gemacht. Auf der Bühne sind zehn Tänzer und Tänzerinnen.
Steps 2018 | Jeon Misook Dance Company
Stimme der Ruhe
Jeon Misook ist unter den aktuellen Choreograf*innen Koreas eine ungewöhnliche Stimme, verweigert sie sich doch konstant und mutig der Erwartung, ständig neue Werke zu produzieren. Stattdessen nimmt sie sich Zeit und unterzieht ihre Kreationen einem anhaltenden Prozess der Verdichtung. Die Basis ihrer Bewegungssprache entstammt dem Ballett, das sie verfremdet und erweitert. Durch Einflüsse aus den asiatischen Kampfkünsten gewinnt es bei ihr einen anderen Duktus, verändert sich in der Farbe. Theatrale Elemente, auch aus dem Repertoire der traditionellen koreanischen Gesten, kommen hinzu.
Geste des Respekts
So zu erleben in Bow, das am Migros-Kulturprozent Tanzfestival Steps als europäische Erstaufführung zu sehen ist. Misook nimmt in diesem Werk eine der typischen Sitten ihres Landes unter die Lupe: das Verbeugen. Mal Begrüssungsgeste, mal Respektbezeugung vor Älteren oder hierarchisch Höherstehenden – hinter einer scheinbar schlichten Beugung des Oberkörpers verbergen sich komplexe, für Aussenstehende unlesbare Bedeutungszusammenhänge. In einer tänzerischen Tour de Force hinterfragt Misook diese vielschichtige Form der Kommunikation. Indem sie sie bricht und bis zur Unkenntlichkeit wiederholt, wird aus einem strengen Verhaltenskodex plötzlich etwas unerhört Revolutionäres. Die hochvirtuosen und brillant trainierten Tänzer*innen sind in der Lage, jede Nuance von Misooks Intentionen umzusetzen. Eine absolut lohnenswerte Begegnung mit der zeitgenössischen koreanischen Tanzszene.