Heidi Maria Glössner und Andri Schenardi brillieren in der überzeugenden Berner Inszenierung von Heiner Müllers sprachgewaltigem Zweipersonenstück.
Stadttheater Bern | Quartett
1782 schrieb Choderlos de Laclos den Briefroman Liaisons dangereuses, der die moralische Fäulnis des Ancien régime thematisierte. 200 Jahre später nahm der grosse (ost-)deutsche Autor Heiner Müller diese Vorlage und machte daraus eine Reflexion über die Endzeit einer Epoche.
In einem «Salon vor der französischen Revolution / Bunker nach dem Dritten Weltkrieg» erwartet die Marquise de Merteuil ihren einstigen Liebhaber Vicomte de Valmont zum Quartett. Beide spielen mit vertauschten Rollen – und damit vertauschten Geschlechtern – eine alte Intrige nach, bei der Valmont in der Rolle der von ihm verführten Madame Tourvel an dem Gift stirbt, das ihm die Merteuil (als Valmont) reicht. Alleingelassen auf dem Trümmerfeld ihrer ungestillten Leidenschaften muss die Marquise jedoch erkennen, dass es Erlösung nicht gibt, wenn selbst der Tod Theater ist.
Ein amoralischer Rationalismus bildet die Grundlage dieses «intellektuellen Pornos» eines der bedeutendsten deutschen Bühnendichter. Es ist eine sprachlich hochkomplexe Demontage von Religion, Liebe und Moral. Der Komponist Philipp Ludwig Stangl, der fest in Bern engagiert ist, hat das Stück vertont und stellt so neben das sprachliche ein musikalisches Geflecht, das die Präzision und Ausdruckskraft der Müllerschen Sprache heraushebt und konterkariert. Durch Projektionen kommt zudem eine Bildebene hinzu, welche Sprache und Musik ergänzt und die Begegnung der beiden Figuren medial auflöst.