Matthias Hartmann inszeniert im Schiffbau “Ödipus, ein Projekt nach Sophokles”, das die Entstehung des “Freudschen Kompexes” einem breiten Publikum versucht schmackhaft zu machen.
Schauspielhaus Zürich l Ödipus
Er ist ein beneidenswerter Mann: Als von den Göttern gesegneter Held herrscht Ödipus über die Thebaner. Ihm war es leicht gefallen, das tödliche Rätsel der Sphinx vor den Toren der Stadt zu lösen. Die menschenfressende Rätselsängerin stürzte sich von den Felsen, und Ödipus erhielt zum Dank die Hand der verwitweten Königin. Doch nun stöhnt die Stadt nach glücklichen Jahren erneut vor Unglück, gemartert von einer Pest-Epidemie und zeichenhaften Missgeburten. Ödipus lässt das Orakel befragen, und die Diagnose ist eindeutig: Das Dunkel um die Ermordung des letzten Königs Laios muss aufgeklärt werden, die ungesühnte Blutschuld ist es, die auf der Stadt lastet. Erst wenn der Mörder gestellt und bestraft ist, wird die Stadt genesen. Mit seinem zupackenden Temperament macht sich Ödipus an die Lösung dieses neuen Rätsels und beginnt mit der Inquisition der Zeugen. Doch was soll das aggressive Gemunkel, das Theiresias, der Seher, ihm auftischt? Und was kann die ungeheuerliche Aussage Kreons anderes sein als die Intrige eines Neiders seines Thrones?
Hatte Ödipus nicht alles richtig gemacht, als er in Ehrfurcht vor einem warnenden Orakelspruch aus Delphi seiner Heimat den Rücken kehrte? Wenige Stunden bringen es an den Tag und machen aus dem strahlenden König den unglücklichsten Verbrecher. Sein unablässiges Fragen bringt ihn zu der unausweichlichen Erkenntnis: Er ist ein Vatermörder, ein Blutschänder. Das Geheimnis seiner Herkunft und das Geheimnis um die Ermordung des Laios verstricken sich mit perfider Perfektion zu grausamstem Schicksal. Grausamer noch, denn es erweist sich als selbst gewählt.
Das 2400 Jahre alte Drama war bereits für Aristoteles der «Musterfall einer Tragödie».