Das Luzerner Theater startet mit Mozarts letzter Oper in die Opernsaison. Vera Nemirova hinterfragt in ihrer Inszenierung, entgegen der ursprünglichen Fassung, die vermeintliche Milde des römischen Kaisers sehr kritisch.
Luzerner Theater | La clemenza di Tito
Kritik
LA CLEMENZA DI TITO muss gegen das Vorurteil ankämpfen, trocken, steif und zu erhaben daherzukommen, kurz gesagt etwas dröge zu wirken. Dass dem nicht so ist, beweist die rundum geglückte Neuinszenierung des Werks am Luzerner Theater. Regisseurin Vera Nemirova ist es durch eine ungemein spannungsgeladene Personenführung und eine natürliche Charakterzeichnung gelungen, Menschen aus Fleisch und Blut auf die Bühne zu stellen, die Leidenschaften, Irrungen und Wirrungen der Herzen fassbar und nachvollziehbar zu machen.
Musikalisch gerät die Aufführung geradezu zu einer Sternstunde des Mozartgesangs.
Ausführliche Kritik und Angaben zum Werk auf oper-aktuell
Für art-tv und oper-aktuell: Kaspar Sannemann, 12. September 2012
Gaube und Unglaube an das Gute
Der Mensch ist zur Reue fähig. Aus dieser Überzeugung, die zum Kern christlichen Denkens gehört, leitete die Aufklärung später ihr Vertrauen in die Kraft der Vernunft ab. Wie sich das eine mit dem anderen ideal verbindet, demonstriert das Dramma serio per musica «La clemenza di Tito» von Wolfgang Amadé Mozart, komponiert auf ein von Caterino Tommaso Mazzolà modernisiertes Libretto von 1734, das anhand eines Ausschnitts aus der römischen Geschichte exemplarisch Unglaube und Glaube an das Gute im Menschen aufzeigt.
Vereitelte Heiratspläne
Vitellia wird von Sesto umworben, liebt selbst aber den Kaiser Tito. Als dieser Servilia heiraten will, plant Vitellia einen Aufstand aus Enttäuschung und Rache. Dann erfährt Tito von Servilias Liebe zu Annio. Er tritt als Brautwerber zurück und trägt Vitellia die Ehe an, die vergeblich das von ihr lancierte Komplott aufzuhalten versucht. Knapp dem Tod entronnen, gewinnt der Kaiser die Macht zurück und muss über die Attentäter richten …
Moderne Opera seria
Für die Krönung Kaiser Leopolds II. 1791 in Prag schufen Textdichter und Komponist eine moderne Opera seria, die formal mit zahlreichen, oft auch komplexen Ensembles musikalische Errungenschaften der Zeit aufgreift und inhaltlich die Skrupel des Verbrecherpaares Vitellia und Sesto der Humanität des Herrschers gegenüberstellt. Insbesondere mit seiner klaren Anlagestruktur, seiner differenzierten Detailausformung und konzentrierten Affektdarstellung, aber auch mit seinem emphatisch formulierten Plädoyer für Aufrichtigkeit und Gnade weist das Werk auf die klassizistisch-heroische Oper der Jahrhundertwende voraus.