Ist Malefizenz Wolfram Schöllkopf noch zu retten? Greift die Auer-Aplanalpsche Therapie? Ist das Reduit im Gotthard eine österreichische Klinik? «Die künstliche Mutter» gibt Antworten. Ein Musiktheater von Michel Roth nach dem epochalen Roman von Hermann Burger.
Lucerne Festival & Gare du Nord Basel | Die Künstliche Mutter
Ewig ruft der Gotthard
Wolfram Schöllkopf, Privatdozent für Literaturwissenschaft und Glaziologie, leidet an Depressionen, Impotenz und «Unterleibsmigräne», hervorgerufen durch mütterlichen Liebesentzug und eine sexualfeindliche Erziehung. Weil alle ärztliche Kunst versagt, begibt er sich in den Mutterschoss der Schweiz: in eine unterirdische Klinik im Gotthardmassiv. Dort unterzieht er sich einer abenteuerlichen Therapie, die ihn von seinem multiplen Mutter-Trauma (inklusive Alma Mater und Helvetia) befreien soll. Der Roman «Die Künstliche Mutter» von Hermann Burger (1942–1989) ist virtuoses Sprachspiel und Sprachreflexion, satirische Abrechnung mit der Schweiz und der Versuch einer schriftstellerischen Selbsttherapie in einem.
Welturaufführung im «Südpol»
Der Luzerner Komponist Michel Roth hat Hermann Burgers Roman «Die Künstliche Mutter» vertont und selbst das Libretto verfasst. Jürg Henneberger (Musikalische Leitung) und Nils Torpus (Regie) haben die Uraufführung in enger Zusammenarbeit mit dem Komponisten erarbeitet. Gemeinsam verwandeln sie den Roman in ein burleskes Musiktheaterstück, eine schräge Operette, eine Oper. Die Musik hat Michel Roth den Mitgliedern des Ensemble Phoenix Basel auf den Leib geschrieben. Die Welturaufführung im Südpol Luzern findet im Rahmen von Kultur am Gotthard und des Lucerne Festival statt.
Zweiter Roman von Hermann Burger
Nach dem durchschlagenden Erfolg von «Schilten» erschien 1982 Hermann Burgers zweiter Roman «Die Künstliche Mutter», seine wohl waghalsigste Phantasie und Konstruktion. Darin reist der Privatdozent Wolfram Schöllkopf, der nach dem Verlust seiner universitären Arbeitsstelle einen Zusammenbruch erleidet, zur Kur in eine aufgelassene militärische Festung unter dem Gotthard. Schöllkopf wird analysiert und einer abenteuerlichen Therapie unterzogen, an deren Ende die Erkenntnis steht: Erst im Tod ist das Leben endlich genesen. Ein episch-wuchtiger Roman, bitterscharfe Analyse der Schweiz, Satire auf Akademie und Psychologie – und zugleich der grandiose Versuch, mit den Mitteln des Erzählens einen Heilungsprozess in Gang zu setzen. Für den Schweizer Schriftsteller Hermann Burger selbst war Schreiben in erster Linie eine «Existenzform» und nicht nur eine «Tätigkeit».