15 Jugendlichen des künstlerischen Weiterbildungsjahres des SBW Haus des Lernens in Herisau führten die Oper “Orpheus & das lächelnde Ei” von Roman Rutishauser auf. In einem Gepäckwagen eines fahrenden SBB-Zuges.
Herisau | Bahnoper im Gepäckwagen
Am Samstag 31. Oktober und am Freitag 13. November gab es für Bahnreisende auf der Strecke St. Gallen – Chur retour eine Überraschung. Sie konnten sich in einem verdunkelten Gepäckwagen der SBB die halbstündige Unterwelts-Bahnoper «Orpheus & das lächelnde Ei» ansehen.
Roman Rutishauser liebt sie, die unkonventionellen Bühnen: sei es – wie diesen Sommer – ein schwankendes Floss, ein Sandstrand am Meer oder die Geleise an einem Bahnhof, wo nachts um 2 Uhr ein Requiem aufgeführt wird und der erste Zug den Schlussakkord bildet. Dieses Mal soll es ein verdunkelter Gepäckwagen sein, der mitten durch den Alltag pfeift. In zwei Dutzend Nachtschichten hatte Rutishauser die Oper seinen Schützlingen auf den Leib geschrieben, jeder und jedem nach seinen Fähigkeiten. Fast 100 Seiten Partitur sind für die zehn Stimmen entstanden, von Piano und Schlagzeug bis zu Harfe und Hackbrett. Zwei Kunstwochen in der Toskana mussten reichen, Musik und Choreographie (Cordelia Alder) einzustudieren und aufeinander abzustimmen.
Der Zug spielt mit. Er pfeift, quietscht, ächzt und krächzt. Lampen für Bauarbeiter heulen auf, der Tunnel rauscht, entgegenfahrende Züge lassen die Unterwelt tosend erzittern. Ein Experiment voller Herausforderungen und Störungen, die keine sind: umfallende Notenständer, ausfallende Mikrofone, beengende Raumverhältnisse. „All dies gehört zu Orpheus‘ Unterwelt“, sagt Roman Rutishauser: „Die Kunst besteht darin, mit den Bewegungen des Zuges mitzugehen, sich als Teil des Wagens zu verstehen und alles aufzunehmen, was der Zug und die Umgebung an Geräuschen liefert.“