In seiner aktuellen Fotoausstellung stellt das Kulturmuseum St. Gallen erstmals Werke aus der neu erworbenen umfangreichen Sammlung von Foto Gross einer Öffentlichkeit vor. Die Fotografien geben einmalige Einblicke in die Vergangenheit und zeugen von der bewegten Stadtgeschichte. Es ist ein grosser Glücksfall, dass das Stadtarchiv der Ortsbürger- und politischen Gemeinde St. Gallen diese umfangreiche Sammlung, die eine sechsstellige Anzahl von Bildern enthält, sichern konnte.
So sah St. Gallen vor hundert Jahren aus
Es sind wahre Archivperlen in Schwarz-Weiss, die das Kulturmuseum St. Gallen in einer neuen Ausstellung präsentieren kann.
Fotografien aus einem Jahrhundert
Die Publikation der Stadtarchive vertieft die Themen der Ausstellung mit zahlreichen weiteren Bildern und mit Texten, die der Einbettung der Bilder in die Geschichte des 20. Jahrhundert dienen.
Fotografien aus einem Jahrhundert – Die Sammlung Foto Gross der Stadtarchive St. Gallen. | 236 Seiten | ISBN 978-3-03895-070-7
Die Sammlung Foto Gross
Ob aufwändig inszeniert oder ganz nebenbei geknipst, ob schön arrangiert im Familienalbum oder zu Tausenden auf der Speicherkarte des Smartphones: Fotografien begleiten unseren Alltag, sind Ausdrucksform und Erinnerungsstück zugleich. Trotzdem ist man sich in den Kulturwissenschaften erst in den letzten Jahren so richtig bewusst geworden, wie wertvoll Fotografien als Zeitzeugnisse sind. Vor allem aber wecken Fotografien unsere Emotionen. Sie sind direkter zugänglich und haben – besonders Schwarz-Weiss-Fotografien – einen ganz eigenen ästhetischen Charme. Mit dem 1921 gegründeten Geschäft Foto Gross kamen über viele Jahrzehnte hinweg fast alle Sankt Galler:innen einmal in Berührung: Es fertigte Industrie- und Werbefotografien an, machten Klassenfotos in Schulen und Porträts für Familien. Angestellte von Foto Gross besuchten unzählige Veranstaltungen – das Kinderfest, Wahlfeiern oder auch Messen – und begleiteten Menschen bei der Arbeit und in der Freizeit. Dieses wichtige Kulturgut wurde von den Archivmitarbeitenden in den letzten Jahren sorgfältig konserviert, digitalisiert und in einer Datenbank erschlossen, um gezielt nach Fotos suchen zu können.
Ein vielseitiger Blick auf den Wandel der Gesellschaft
Ein erster Themenblock in der Ausstellung ist den tiefgreifenden Veränderungen der Arbeitswelt und Ausbildung gewidmet. Von Klassenfotos, die ab den 1970er-Jahren einen gelockerten Zeitgeist widerspiegeln, bis hin zu den sich wandelnden Berufsbildern – die Aufnahmen zeigen den strukturellen und sozialen Wandel eindrucksvoll. Ein weiteres interessantes Thema ist der Konsum: Stand vor dem Zweiten Weltkrieg die Grundversorgung im Fokus, brachte das Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit einen rasanten Anstieg der Kaufkraft und des Produkteangebots mit sich. Die Besucher:innen erhalten ebenfalls spannende Einblicke in die Freizeitgestaltung des 20. Jahrhunderts – von frühen Bergbahnen und Skiliften über das Aufkommen von Freizeitparks bis hin zur Omnipräsenz des Fernsehens. Auch die Mobilität wird beleuchtet: Historische Aufnahmen dokumentieren die Ablösung der Trams durch Trolleybusse, den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und die Veränderungen im Stadtbild St. Gallens.
Tradition, Architektur und die Stadt im Wandel
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Bräuchen und Festen, die Foto Gross über Jahrzehnte hinweg festgehalten hat – von der OLMA und OFFA über Gewerbeumzüge bis hin zu traditionellen Prozessionen. Auch die Stadtentwicklung wird sichtbar: Durch wiederkehrende Blickwinkel der Fotografen lassen sich bauliche Veränderungen direkt vergleichen, von den Jugendstilvillen am Rosenberg bis zu den Sichtbeton-Bauten der Universität St. Gallen.
(Textgrundlage: Kulturmuseum St. Gallen)