Die Skulpturen der Antikensammlung Bern sind zum Leben erwacht! Sie reden mit dem Publikum, ja beobachten gar dessen Mimik und interpretieren sie… Die Antikensammlung der Universität Bern beschreitet mit diesem Pilotprojekt im Bereich der interaktiven Medien vollkommen neue Wege der Kulturvermittlung. Das Projekt wurde im Rahmen des kantonalen Wettbewerbs «Kultur.Digital» vom Amt für Kultur bereits als modellhaftes Vermittlungsprojekt mit einem Hauptpreis ausgezeichnet.
Pilotprojekt der Universität Bern | «Facing History» | Kulturgeschichte Interaktiv
- Publiziert am 12. Juli 2019
Digitale Spracherkennung | «Im Gespräch mit den Göttern des Olymp»
Die Skulpturen der Antikensammlung Bern sind zum Leben erwacht! Sie reden mit dem Publikum und sagen was sie denken. Digitale Medien wie Voice Recognition und Emotion Tracking ermöglichen den Besucher*innen das direkte Gespräch mit den Skulpturen. Ein Team von Schauspieler*innen leiht den historischen Figuren ihre Stimmen und ihren Ausdruck. Ihre Gesichter erscheinen in Form von dynamischen Videomappings auf den Statuen und Büsten. Auf diese Weise treten sie in Dialog mit dem Publikum. Die griechischen Gottheiten Hermes, Aphrodite, Apollon und Athena können über ein Mikrofon angesprochen und zu ihrer Geschichte befragt werden. In prägnanten Videosequenzen beantworten sie die Fragen des Publikums und geben Auskunft zu ihrer Herkunft und zu ihrer Liebes- und Lebensgeschichte.
Visuelle Mimikanalyse | «Das Orakel sagt Dir, wie Du dich fühlst»
In einer interaktiven Videoinstallation, die Bezug nimmt auf das Orakel von Delphi, werden Emotionen von Besucherinnen und Besuchern analysiert und kommentiert. Der sprechende Kopf einer Monumentalstatue verkündet den überraschten Gästen in orakelhaften Worten «wie sie sich fühlen». Ihre Gesichtsoberflächen werden aufgrund einer visuellen digitalen Mimikanalyse nach ihren individuellen Stimmungslagen eingestuft und gedeutet. Die poetischen Antworten des Orakels werden für jeden einzelnen Besucher individuell aus einer Video-Library abgerufen. Der junge bekannte Schweizer Schauspieler Antonio Ramón Luque verleiht dem digitalen «Emotions-Orakel» seine Ausstrahlung und seinen überzeugenden Ausdruck.
Interaktives Schauspiel | «Dein Gesicht beschreibt die Welt»
Ein dreizehnköpfiges Team von Schauspieler*innen hat bei der Realisierung der Ausstellung mitgewirkt. In insgesamt zwölf raumgreifenden Videoinstallationen verleihen sie den antiken Statuen und Büsten eine zeitgenössische Sprache, Charisma, Charme und Charakter. Die Schauspielerin Eva Marianne Berger begeistert das Publikum in der Hauptrolle der mächtigen Pallas Athena, einer alles überragenden Monumentalskulptur, deren Original sich im Louvre Paris befindet. Aphrodite, die Göttin der Schönheit und der Liebe, wird in einer ausdrucksstarken Performance von der Schauspielerin Isabelle Stoffel verkörpert, und der junge deutsche Schauspieler Johannes Schumacher brilliert als Satyr in einer überaus sinnlichen Interpretation des «Barberinischen Fauns». Mit einer eigenen Videoperformance ist auch Deutschlands bekannteste freie Philosophin, die Bestsellerautorin Rebekka Reinhard, in der Ausstellung vertreten. Umgeben von prominenten Zuhörern wie Homer, Sophokles und Platon äusserst sich Reinhard zu Themen des gesellschaftlichen Wandels, der kulturellen Verantwortlichkeit, der Digitalisierung und den Werten der Aufklärung. Damit haucht sie einer Skulptur der antiken griechischen Dichterin Sappho neues Leben ein. In weiteren Hauptrollen sind in der Ausstellung vertreten: Ben Gageik als Herakles, Lisanne Hirzel als römische Bürgerin, Malte Homfeldt als Götterbote Hermes, Jasmin Kiranoglu als Königin Niobe, Antonio Ramón Luque als Apollo von Belvedere und Bernhard Schneider als römischer Kaiser Caracalla.
Transdisziplinäres Pilotprojekt | «Kultur – Digitalisierung – Wissenschaft»
Die Ausstellung wurde von den Medienkünstlern Franticek Klossner und Marc-André Gasser konzipiert und in Zusammenarbeit mit der Archäologin Elena Mango in der Antikensammlung der Universität Bern umgesetzt. Durch die spartenübergreifende Zusammenarbeit ist eine höchst innovative Ausstellung entstanden, in der sich die verschiedenen Disziplinen der Geisteswissenschaften, der Kunstformen und der Digitalisierung gegenseitig bereichern. Während der Initiant des Projekts, der Künstler Franticek Klossner, sich dem Ausstellungskonzept, dem Drehbuch, der Inszenierung und der Regie widmete, entwickelte Marc-André Gasser die Software und die entsprechende Hardware zur Umsetzung der interaktiven Installationen. In den Bereichen der Kulturgeschichte, der Philosophie und der Archäologie, wurden die Medienkünstler von der Archäologin Elena Mango und ihrem Team der Universität Bern flankierend beraten. Das transdisziplinäre Projekt wurde im Rahmen des kantonalen Wettbewerbs für digitale Kulturvermittlung und kulturelle Teilhabe, «Kultur.digital», vom Amt für Kultur des Kantons Bern mit einem Hauptpreis ausgezeichnet.
«Ein modellhaftes neues Bildungsangebot | «Kulturgeschichte Live!»
Im Fokus der Ausstellungsthematik steht die Auseinandersetzung mit der eigenen Kulturgeschichte und Gegenwart. Historische Anknüpfungspunkte werden genutzt, um aktuelle Themen wie die kulturelle Vielfalt, gesellschaftlicher Wandel, Globalisierung und Teilhabe, Gleichstellung und kulturelle Verantwortlichkeit in einen übergeordneten geschichtlichen Kontext zu stellen. Durch die künstlerischen Ausdrucksformen des Schauspiels und der Performance in Verbindung mit den interaktiven Technologien werden die Themen in äusserst lebhafter Weise vermittelt. Der innovative Einsatz von Voice Recognition, Emotion Tracking und Videomapping lässt die Skulpturen der Antikensammlung in einem vollkommen neuen Kontext erscheinen. Die Digitalisierung und ihr Einfluss auf unsere Kultur werden direkt physisch erlebbar. Das Pilotprojekt bereichert nicht nur das Kulturangebot der Stadt Bern, es leistet auch einen sehr aktuellen und wichtigen Beitrag an das Bildungsangebot für Schulklassen aus der gesamten Deutschschweiz. Das Projekt steht unter dem Patronat der Erziehungsdirektorin des Kantons Bern, Frau Regierungsrätin Christine Häsler.