Das Museum Vinorama Ermatingen zeigt in der Villa «Phönix», nach aufwändiger Restauration, herrschaftliches «Wohnen um 1900». In der ehemaligen Pferdestallung «Remise» sind die Geschichte des Weinbaues vor Ort, der politische und gesellschaftliche Aufbruch im 19. Jahrhundert sowie die mittelalterlichen Beziehungen zum Kloster Reichenau, die Wirkungen des Konzils zu Konstanz auf die gesamte Region und die Ereignisse des Schwabenkrieges am Untersee dargestellt.
Museum Ermatingen | Vinorama
Einblicke in die herrschaftlichen Gemächer der Ammann-Dynastie versetzten einen in die Gründerzeit am Untersee.
Ein Rundgang
Die museale Präsentation des Wohnens um 1900 beginnt in der Küche und führt in den Wirtschaftsraum für textiles Schaffen mit Beispielen hier gefertigter Klöppelspitzen. Auf dem Treppenabsatz zum ersten Obergeschoss lohnt sich ein Blick auf das historische Wasserclosett. Über den Flur mit Jugendstil-Ausstattung gelangt der Besucher in den Salon mit reicher Biedermeier-Ausstattung. Anschliessend das Speisezimmer und die Familienstube mit Hausmusik-Ecke. Gegenüber lädt das Kinderzimmer zum Staunen ein. Die Ausstattung der Räume erfolgte aufgrund fotografischen Vorlagen und Baubefunden, Mobiliar und Inventar stammt durchwegs aus dem Fundus des Hauses. Eine Bibliothek mit rund 700 Kochbüchern ermöglicht eine Verbindung zwischen Weingenuss und Tafelfreuden. Besucher dürfen in den Kochbüchern schmökern und interessierende Rezepte kopieren.
Rosenpark
Nach dem Vorbild eines Lustgartens aus dem Biedermeier wurde eine zeitgemässe Rekonstruktion der Parkanlage realisiert. Der alte Baumbestand (Edelkastanie, Eibe) und die Gartenlaube mit Efeu-Wänden blieben erhalten, ergänzt mit zahlreichen Rosen und einer Interpretation eines klassizistischen Brunnens in Stahl. Der Garten ist möbliert und öffentlich zugänglich.
Der Begründer der «Wein»-Familie
Der Erbauer der Häuser Phönix und Harmonie, Hartmann Friedrich Ammann, war Rebbauer, Kellereibesitzer und Weinhändler. Die Heirat mit Julia Anna von Breitenlandenberg öffnete ihm zusätzlich den Zugang zu adligen Familien. So wurde er Verwalter des Schlosses Hard und Berater der Napoleoniden rund um den Arenenberg. Ausserdem erteilten verschieden habliche Leute dem gewandten Unternehmer Handlungsvollmachten zur Erledigung verschiedenster Geschäfte. Hartmann Friedrich Ammann war nicht nur begüterter Weinbauer und Weinhändler. Er war auch Amtmann, vergleichbar mit den heutigen Statthaltern, Oberst der gezogenen Artillerie und schliesslich enger Vertrauter der Exilanten aus dem kaiserlichen Frankreich, den Napoleoniden, die sich nach dem Niedergang des ersten Kaiserreiches rund um den Arenenberg niederliessen. Für die Exilanten war er so etwas wie ein Treuhänder für allerlei Geschäfte, die sie als Flüchtlinge zwar finanzieren, aber nie briefen durften. Die Exilanten waren sowohl geschäftlich wie auch politisch sehr aktiv. Das Ziel von Hortense und ihrer Entourage war klar: Wiedererrichtung des Kaiserreiches mit Louis Napoleon als Napoleon III., was später auch gelingen sollte. Ermatingen war zu jener Zeit eine Drehscheibe der Informationen, von Freund und Feind, vom Geheimdienst Frankreichs und der Thurgauer Landjäger. Und mitten in diesem Geschehen der Weinbauer und Weinhändler Hartmann Friedrich Ammann, der Kontakte vermittelte, begleitete und Geschäfte wie Politik mit trug. Er war auch ein väterlicher Freund des Prinzen Louis Napoleon, dem er das «Studium» der Artillerie auf dem Waffenplatz Thun vermittelte, wo Louis das Offiziersbrevet der Schweizer Armee erwarb. Mit Louis hatte Ammann die Thurgauische Schützengesellschaft im Ermatinger Hirschen gegründet und die Werbetrommel für dessen Wahl in das Parlament, den Grossen Rat, gerührt – ein Amt, das Louis Napoleon trotz erfolgreicher Wahl jedoch nicht antrat. Bereits mit 57 Jahren starb Hartmann Friedrich Ammann am 30. November 1838. So konnte er die Ernennung von Louis Napoleon zum französischen Staatspräsidenten (1848) und dessen Krönung zum Kaiser Napoleon III. nicht mehr erleben.
Text: Museum Ermatingen