Was bewegt Menschen dazu, eine textile Sammlung anzulegen? Was macht ein textiles Objekt wertvoll oder sammlungswürdig? Für die einen ist es der monetäre Wert oder eine Frage des Prestiges. Für andere zählt die emotionale Bindung oder eine damit verbundene Erinnerung. Wieder andere sehen im Nutzungswert den entscheidenden Grund: Kleidung, die nicht nur archiviert, sondern auch getragen werden kann.
Kleiderkollage oder kuratierter Kleiderschrank?
- Publiziert am 24. Oktober 2025
Die neue Ausstellung beleuchtet die vielschichtige Praxis des Sammelns von modischen Kleidungsstücken und textilen Objekten.
Zwischen Sammeln und Ansammeln
Bewusstes Sammeln ist mehr als blosses Anhäufen und Aufbewahren. Es ist ein gezieltes, geordnetes Zusammenstellen nach individuellen Kriterien wie zum Beispiel einem besonderen Thema, der Ästhetik oder der Geschichte von Objekten. Mode bewegt sich dabei immer in einem Spannungsfeld zwischen Bedecken und Sichtbar-Machen, Zugehörigkeit und Abgrenzung, Zeitgeist und Zeitlosigkeit. Wer sammelt, entscheidet also, welche dieser Facetten für die Zukunft bewahrt werden. Das Gegenteil des bewussten Bewahrens von Kleidung thematisiert die Künstlerin Andrea Vogel in einer multimedialen Installation: Achtlos weggeworfene Kleidungsstücke. In ihrem dreiteiligen Werk zeigt sie, was aus dem scheinbaren Abfall entstehen kann. Der Titel der Arbeit «Die Lumpensammlerin» (2024/25) spielt auf eine historische Berufsgattung an, als zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert aus gebrauchten Textilien Papierbögen hergestellt wurden. Eine zweite künstlerische «Position L’Etreinte» (2020-2025) der Genfer Fotografin Rebecca Bowring setzt sich mit dem Erbe von Sammlungen auseinander. Was geschieht mit einer Sammlung, wenn die Sammlerin nicht mehr ist? Die Künstlerin war nach dem Tod ihrer Mutter mit den materiellen Spuren eines geliebten Menschen konfrontiert.
Von T-Shirts bis Haute Couture
Die vier privaten Sammler:innen Rosmarie Amacher, Marcus Gossolt, Beata Sievi und Reto Salis Gross sammeln aus Leidenschaft. Sie erlauben den Besuchenden in der Ausstellung Mode sammeln. Von T-Shirts bis Haute Couture einen Blick in ihre sorgfältig kuratierten Kollektionen. Die präsentierten Stücke wurden in enger Zusammenarbeit mit den Sammler:innen ausgesucht und repräsentieren prägende Momente der Modegeschichte sowie biografische Stationen der Besitzer:innen. Was sie eint, ist die Wertschätzung für das textile Handwerk, für besondere Verarbeitungstechniken, hochwertige Materialien und den gesellschaftlichen Wert, der in den Kleidern steckt. In persönlichen Interviews beantworten die Sammler:innen Fragen zur Faszination, Motivation und den damit verbundenen Herausforderungen und Verpflichtungen. Wieso will man so viele Dinge besitzen? Welche persönliche Beziehung haben sie zu den Objekten? Und wie kamen sie dazu, dieser Tätigkeit nachzugehen? Ergänzt werden die Testimonials durch Fotografien, die die Sammlungen an ihrem Aufbewahrungsort zeigen, sei es im Wohnzimmer, im Kellergeschoss oder in einer Ecke des Büros. So erhalten die Besuchenden Einblicke in die Vielseitigkeit, die Ordnung und Aufbewahrungsbedingungen der Kollektionen.
Die Sammlung
Die aktuelle Ausstellung zeigt einzigartige Stücke aus der Sammlung. Zu sehen sind das erste Kleidungsstück, das je erworben wurde, sowie ein Kleid aus bedruckter Wolle aus den 1860er-Jahren, das erstmals öffentlich präsentiert wird. Ergänzt werden diese historischen Highlights durch Neuerwerbungen aus dem Jahr 2024, darunter ein selbstgenähtes Hochzeitskleid aus den 1970er-Jahren, gefertigt aus Stoffen und Stickereien St.Galler Textilproduzenten – ein Sinnbild für die lebendige Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart. «Mode sammeln. Von T-Shirts bis Haute Couture» zeigt, dass Sammeln mehr ist als Bewahren: Es ist ein lebendiger Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart und zwischen Gesellschaft und Individuum, der immer wieder neue Geschichten entstehen lässt und frische Perspektiven eröffnet.
(Textgrundlage: Textilmuseum St.Gallen)