Kinderarbeit war in der Schweiz über Jahrhunderte Realität – aus Notwendigkeit, aus Armut, aus gesellschaftlicher Akzeptanz. Die Ausstellung Kinderarbeit in der Schweiz im Landesmuseum Zürich zeichnet diesen Weg nach: von der familiären Mithilfe über industrielle Ausbeutung bis hin zum langsamen Entstehen eines modernen Verständnisses von Kindheit, Bildung und Schutz.
Kinderarbeit in der Schweiz
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Eine Ausstellung im Landesmuseum Zürich beleuchtet ein lange verdrängtes Kapitel der Schweizer Sozialgeschichte.

Arbeit als Alltag – Kindheit unter Vorbehalt
Lange bevor Fabriken das Land veränderten, arbeiteten Kinder selbstverständlich mit: im Haushalt, auf dem Feld, in der Heimarbeit. Ihr Beitrag war Teil der Familienökonomie und oft überlebenswichtig. Mit der Industrialisierung verschärfte sich diese Realität drastisch. In Textil- und Seidenfabriken, in Glarner Stoffdruckereien oder an Webstühlen arbeiteten selbst sechsjährige Kinder unter gesundheitsgefährdenden Bedingungen – bis zu 16 Stunden am Tag. Die Ausstellung macht sichtbar, wie fliessend der Übergang von Mithilfe zur Ausbeutung war und wie sehr Kinder zu billigen Arbeitskräften wurden.

Vom Schutzgedanken zur Gegenwart
Erst das Fabrikgesetz von 1877 setzte rechtliche Grenzen, die Einführung der Schulpflicht 1874 markierte einen mentalen Wendepunkt: Kindheit wurde allmählich als eigene Lebensphase anerkannt. Doch die Praxis hinkte hinterher. Noch bis weit ins 20. Jahrhundert arbeiteten Kinder als Verdingkinder, Schwabenkinder oder in fremden Haushalten. Der abschliessende Blick in die Gegenwart zeigt: Kinderarbeit ist kein abgeschlossenes Kapitel. Weltweit arbeiten weiterhin Millionen Kinder – und auch in der Schweiz existieren problematische Formen, wenn Jugendliche aus armutsbetroffenen Familien zum Einkommen beitragen müssen. Die Ausstellung stellt damit eine unbequeme Frage: Wie konsequent nehmen wir den Schutz der Kindheit heute wirklich ernst?
