Wer den Gotthard nur als Transitachse kennt, kennt ihn nicht wirklich. Im Innern des Massivs verbirgt sich mit der Gotthardfestung Sasso San Gottardo ein Ort, an dem sich Militärgeschichte, alpine Mythen und existenzielle Fragen von Sicherheit und Verantwortung überlagern. Einst streng geheim, heute öffentlich zugänglich, lädt die Festung dazu ein, den Gotthard von «der anderen Seite» zu betrachten – nicht als Durchgang, sondern als Gedächtnisraum der Schweiz.
Sasso San Gottardo – Die andere Seite des Gotthards
Tief im Berginnern des Gotthards zeigt sich die Schweiz von ihrer geheimnisvollsten Seite: als Festung, Mythos und Denkraum zugleich.
Verteidigung aus dem Untergrund
Die Festung Sasso da Pigna, wie die Anlage korrekt heisst, wurde 1943 als Teil des Réduit national in den Fels gesprengt. Kilometerlange Stollen, Mannschaftsunterkünfte, Munitionslager und Feuerleitstellen zeugen von einer Zeit, in der die Schweiz ihre Neutralität militärisch absicherte – zurückgezogen, autark, bereit für den Ernstfall. Die Anlage war darauf ausgelegt, über längere Zeit vollständig vom Aussenraum abgeschnitten zu funktionieren. Obwohl die Festung nie im Einsatz stand, blieb sie bis Ende der 1990er-Jahre militärisch genutzt. Heute ist die ehemalige Kampfinstallation ein Museum, das Geschichte nicht erklärt, sondern hautnah erfahrbar macht: als Gang durch den Berg, als Blick aus Scharten, als körperliches Erleben von Enge, Schutz und Kontrolle.
Mythos, Kultur und Gegenwart
Sasso San Gottardo ist jedoch mehr als ein militärhistorischer Ort. Ausstellungen verbinden Technikgeschichte mit kulturellen, naturwissenschaftlichen und philosophischen Perspektiven: vom Mythos Gotthard über Goethes Alpenüberquerungen bis zu Fragen von Energie, Zeit und Landschaft. Eine unterirdische Bahn, die Metro del Sasso, führt tief ins Innere des Bergs und macht den Weg selbst zum Teil des Erlebnisses. Der Ort öffnet sich damit bewusst auch für kulturhistorische und künstlerische Zugänge. So wird die Festung zu einem vielschichtigen Denk- und Erfahrungsraum – und zu einem Ort, der zeigt, wie eng Sicherheit, Kultur und Selbstverständnis in der Schweiz miteinander verwoben sind.
Dall’ altra parte
Auf dem schneereichen Pass dauert die Museumssaison nur gerade vier Monate. Das Museum Sasso San Gottardo war eine von drei Stationen der Sonderausstellung zur NEAT-Eröffnung «Dall’ altra parte», die das Haus für Kunst Uri lanciert hatte. An drei Standorten, im Museum in Altdorf, in einem Kunstdepot in Göschenen und auf dem Gotthard selber befassten sich Kunstschaffende mit fundatmentalen Themen wie Heimat, Migration, Mobilität und einer Art Repräsentation von Landschaft, mit historischen Anspielungen unter anderen mit Werken des Urner Künstlers Heinrich Danioth.