Waren Sie schon mal im Römer Zoo?
- Publiziert am 21. November 2022
Pascal Janovjaks Roman über einen Zoo, die Faszination für einen Ameisenbär und uns Menschen, die Tiere für unsere eigenen Sehnsüchte missbrauchen.
Der Autor und Literaturkritiker Beat Mazenauer bespricht in drei Minuten in seinem aktuellen Videoessay, dem 39. seiner Art, das Buch «Der Zoo in Rom» von Pascal Janovjak. Verfügbar auch als Text zum Nachlesen, für all jene, die lieber Worte statt bewegte Bilder haben.
Pascal Janovjaks Roman ist eine aussergewöhnliche Zeitreise durch das 20. Jahrhundert. Er verstrickt seine Figuren in ein kurzweiliges Abenteuer, das nicht nur die Bedeutung des Zoos in unterschiedlichen politisch-kulturellen Kontexten, sondern auch das Verhältnis der Menschen zu Tieren spiegelt.
Der Zoo in Rom | Synopsis
Roms Zoo wurde 1911 mitten in der antiken Stadt eingeweiht. Entworfen hatte ihn Carl Hagenbeck, der berühmte deutsche Tierhändler. Dieser besondere Ort wird später so schillernde Figuren wie Mussolini, den Schah von Persien, Salman Rushdie oder zahlreiche Filmschauspielerinnen anziehen. – Kurz vor seinem hundertsten Geburtstag hat der Zoo viel von seinem einstigen Glanz verloren. Die neue Kommunikationschefin Giovanna soll für den Park eine PR-Strategie entwerfen, als sie dem algerischen Architekten Chahine begegnet, der auf geheimnisvoller Mission in Rom ist. Beide teilen die Faszination für einen Ameisenbären, den letzten Vertreter seiner Art, der das Objekt der eifersüchtigen Fürsorge eines ehrgeizigen Tierarztes und eines Wärters kurz vor der Pensionierung ist.
Der Zoo in Rom | Besprechung
von Beat Mazenauer
Pascal Janovjak erzählt die Geschichte des Römer Zoos. 1911 eingeweiht, wurde er in den gut 100 Jahren seines Bestehens mal politisch vereinnahmt, mal liess man ihn verlottern. Für dieses Auf und Ab bezahlten die gefangenen Tiere mit ihrem Wohlbefinden. Sie ergaben sich scheinbar klaglos ihrem Schicksal. In einer Parallelmontage führt Janovjak in seinem Roman diese historische Erzählung mit der Gegenwart zusammen. Anfangs des 21. Jahrhunderts soll eine neue Marketingfrau den Zoo neu lancieren und vor einem Bankrott bewahren. Ein rätselhafter Besucher hört ihr geduldig zu; und ein Tamandin-Ameisenbär wird als Sensation ausgerufen. Dieser Tamandin, eine klug fundierte Erfindung des Autors, ist der allerletzte seiner Art.
«Auch wenn die Arten verschwinden, die Tiere zu Tausenden krepieren, lassen sie sich doch am Ende vom Menschen nicht bezwingen.»
Sensationen sind kurzlebig und Utopien werden illusorisch, sobald sie realisiert sind. Eine solche Utopie ist der Römer Zoo: ein Garten Eden mitten in der ewigen Stadt, den Menschen besuchen, um eingehegte Tiere anzuschauen. Noch ist der Zoo kein Bio-Park. Er laviert bedenklich zwischen Idealismus und Ruin, zwischen Naturattrappe und Rummelplatz. Die Zoo-Besucher begegnen dabei vor allem sich selbst, derweil die Tiere ihr Geheimnis vor den Menschen bewahren. Janovjaks Roman umspielt diesen Topos auf kluge, zauberhafte Weise. Er erzählt Geschichten, die mal skandalös, mal witzig sind. Diese Anekdoten aus dem Zoo verbindet er mit der heutigen Realität, in welcher um den letzten Tamandin-Ameisenbär ein Marketingrummel veranstaltet wird. Die Besucher bekommen den Tamandin aber kaum zu Gesicht, weil er sich tagsüber unter einem Busch verbirgt. Deshalb bleibt das Tier ein reines Produkt der Imagination und all jener Erzählungen, die sich darum ranken. Um die Kraft dieses Erzählens weiss auch der alte Pfleger Salvatore. Abends setzt er sich zum Tamandin ins Gehege und trägt ihm Geschichten vor. In seinem Geist erzählt auch Pascal Janovjak, wie Tiere instrumentalisiert werden, bloss damit der Mensch sich in ihnen wiedererkennt.