Nur mit etwelchen literarischen Verrenkungen konnte der Schweizer Literaturnobelpreisträger des Jahres 1919 zu seinen Texten stehen, die in «Der Gotthard» publiziert wurden. Lange kämpfte er darum, dass das im Auftrag der Gotthardbahngesellschaft verfasste Werk lediglich mit seinen Initialen versehen wird. Zudem war er nicht der Bergromantiker, für den man ihn lange hielt, denn im Geheimen hätte er die Alpen am liebsten in die Luft gesprengt «damit wir italiänische Luft direct bekämen».
Literaturgeschichte | Carl Spitteler und der Gotthard
Im Grunde genommen war das 1897 erschienene Buch «Der Gotthard» von Carl Spitteler nichts anderes als ein fürstlich bezahlter Werbetext.
Quellen:
Carl Spitteler – Joseph Viktor Widmann, Briefwechsel. Schweizer Texte – Neue Folge – Band 11, Verlag Paul Haupt, Bern, 1998. | Kilian T. Elsasser, St. Gotthard – the Worlds most Picturesque Route – Wie das Marketing der Gotthardbahngesellschaft das Selbstverständnis der Schweiz massgeblich prägte. In: Der Geschichtsfreund – Mitteilungen des Historischen Vereins Zentralschweiz, 163. Band 2010. | Dr. Paul Burkhardt, Die Landschaft in Carl Spittelers «Olympischem Frühling» – Eine kritisch-aesthetische Untersuchung vornehmlich unter dem Gesichtspunkt des Laokoon-Problems. Rascher & Cie., Verlag, Zürich, 1919.
Gekränkte Gotthardbahn-Direktion
Mit einem Erste-Klasse-Billett im Gepäck reiste der spätere Literaturnobelpreisträger Carl Spitteler mehr als 30 Mal ins Gotthardgebiet und schrieb humorvoll und unterhaltsam über die Bahnreise, die Geschichte des Gotthardtransits und die wichtigsten Seitentäler, wie etwa das Maderanertal. Die Gotthardbahngesellschaft bezahlte Spitteler ein für damalige Verhältnisse fürstliches Honorar von 7000 Franken und liess ihm bis 1909 jährlich eine Erste-Klasse-Freikarte zukommen. Auch für seine Tochter und deren «Gspänli» erhielt er Freikarten! Das von der Gotthardbahn-Direktion in Auftrag gegebene Buch «Der Gotthard» war im Frühjahr 1896 druckreif, nachdem es der Autor fünfmal (!) überarbeitet hatte, und erschien im Oktober desselben Jahres beim damaligen bedeutenden Schweizer Verlag J. Huber in Frauenfeld in der beachtlichen Auflage von 4000 Exemplaren auf 1897 vordatiert. Von Beginn weg hatte Spitteler ein ambivalentes Verhältnis zu diesem Buch, das sich fundamental von seinen anderen Werken unterschied. Querelen hatte es um den vollen Namen des Autors für sein Werk gegeben, den Spitteler lieber nicht abgedruckt gesehen und stattdessen seine Initialen vorgezogen hätte.
Im Vorsommer 1896 schrieb er in einem Brief an seinen Förderer und Berufskollegen Joseph Viktor Widmann: «Noch neulich sagte ich ihm (Präsident Stoffel von der Direktion der Gotthardbahn, A.d.V.), wenn Sie meinen vollen Namen begehrten, das bedeutete für mich, dass ich mir noch zwei Jahre Zeit ausbitten müsste, um auch den Styl bis in die einzelnen Sätze litterarisch auszufeilen. Denn ich unterscheide literarischen prosa Kunststil und anspruchslose sachliche Mittheilungen u. Anweisungen. Wenn nun freilich die Thatsache feststeht, dass die Direction es als Kränkung empfindet, falls ich nicht meinen vollen Namen gebe, dann füge ich mich, da ich nicht das Gefühl kann aufkommen lassen, als hätte ich die 7000 Franken ohne entsprechende Gegenleistung angenommen, nur ist es mir tief zuwieder und ist mir unbegreiflich, warum man desswegen auf einem Umwege über Frauenfeld und Bern an mich gelangt, statt mir einfach hier ein Wort direct zu sagen.» Offensichtlich waren die Kommunikationswege in dieser Sache nicht optimal und jedenfalls nicht nach Spittelers Gusto. In der Verdankung für die Übersendung eines Buches von Joseph Viktor Widmann rühmt Spitteler dessen Schreibstil und kommt fast in die Versuchung sein Gotthardbuch als abschreckendes Beispiel hinzustellen, wie man nicht schreiben sollte. Im Juli 1896 tönt es versöhnlicher wenn Spitteler schreibt: «Ich fand schon einige Druckbogen meines Gotthard vor, und zu meinem geringen Troste fand ich den Text bei weitem nicht so schlimm, als ich in der Erinnerung befürchtet hatte. […] Denn ich darf nun hoffen, dass mir das Buch keine litterarische Schande bringt und zugleich habe ich das Bewusstsein einem billigen Wunsche der Betheiligten willfahrt zu haben.»
Kein Exemplar für Spitteler
Am 2. Oktober 1896 lag das Buch offenbar bereits in den Schaufenstern der Schweizer Buchhandlungen. Nur der Autor hatte noch kein Exemplar erhalten. Spitteler schreibt an Widmann: «Gestern von einem kleinen Ausflug nach Neapel zurückgekehrt, finde ich in den Buchhandlungen, nicht aber bei mir, mein Gotthardbuch vor. Ich besitze also selber noch kein einziges Exemplar, was ich dir deshalb melde, damit du nicht Nachlässigkeit vermuthest, wenn du mein Buch etwa früher in den Berner Buchhandlungen ausgestellt siehst, als ich es dir schicke. Wie gesagt, ich besitze noch kein Exemplar, ausser einem, das meine Frau in der Buchhandlung für sich gekauft hat. Herzlich Dein Carl. Freitag 2 October 1896 Luzern». Widmann bespricht das Buch im «Bund» am 11. Oktober 1896 wohlwollend. Spitteler bedankt sich bei seinem Freund: «Auch hast du mich sehr getröstet, indem du das Buch ein literarisches nanntest. Mögest du Recht haben! Ich bin noch nicht ausser aller Sorgen hierüber.» Keine Sorgen scheint sich Spitteler über die Diskrepanz zwischen seinen Lobhuddeleien im Buch wie etwa auf Seite 63, wo er das Hochplateau hinter Rodi-Fiesso «überaus schön, weich und gross zugleich» bezeichnet, und seiner eigentlichen Haltung Bergen gegenüber zu machen. Er gesteht Widmann: «Ich hasse im Grunde die Berge, weil sie kälten und dem Himmel, also der Lichtkugel Stücke wegfressen, den Horizont verringern; ich verachte die unbelebte Natur, wie man einen ungeschlachten Ochs verachtet, der zwar auch in der Abendbeleuchtung schön sein mag, aber an sich ein Vieh ist. […] Gletscher sind mir Eisvieh. […] Darum liebe ich auch so leidenschaftlich den Süden. Nur des Lichtes wegen. Mein landschaftliches Ideal ist das Paradies, mit immergrünen glänzenden Bäumen schattig abgetönt und mit schönen nackten Weibern bevölkert.»
Und in einer Art radikaler Apotheose schliesst er mit einem Vorschlag, den die Direktion der Gotthardbahn wohl kaum gebilligt hätte: «A propos Gotthard u. meine alpine Natur: meine Lieblingsphantasie ist jetzt, den Gotthard mit allen Alpen mit Dynamit in die Luft zu sprengen auf die andere Seite, gegen Norden, damit wir italiänische Luft direct bekämen.» Gottharddämmerung à la Spitteler! Eine zweite Auflage seines Gotthardbuches verhinderte Spitteler 1922. Es war ihm zu populär. Tatsächlich war «Der Gotthard» im aufkommenden Zeitalter des Reisens beim Publikum äusserst beliebt und wurde sogar auf hoher See gelesen. Die geschäftstüchtige Gotthardbahngesellschaft liess europaweit 500 Exemplare an die Lesezimmer der grösseren Hotels in Kurorten und Seebädern verteilen. 100 Exemplare lagen in den Bibliotheken der wichtigsten Passagierdampfer der Welt auf.
Zeitgenössische Rezension
Noch im Jahr 1896 brachte die «Schweizerische Rundschau.» (Herausgeber und Verleger: Albert Müller in Zürich.) eine ausführliche Rezension des neuen Buches von Carl Spitteler, das gebunden für drei Franken verkauft wurde. Auf annähernd drei Seiten findet F. M. praktisch nur lobende Worte für diese Reisebeschreibung. «Wir zweifeln keinen Augenblick, dass der brave Mann nicht in das grösste Entzücken gerate beim Anblick der Gebirgswelt. Ist er ein guter Eidgenosse, so schwellt die Fahrt auf dem Vierwaldstättersee seine Brust und gegenüber dem Rütli, da kann er nicht mehr an sich halten, er muss anstimmen: ,Von ferne sei herzlich gegrüsset.‘ Der Gedanke an Tell, an alle die klassischen Stätten versetzt ihn in eine weihevolle Stimmung; dazu kommt die Freude, in eigener Person sich an diesen merkwürdigen Orten zu befinden, und mit Staunen betrachtet er die hohen Berge, die Wasserfälle, die tiefen Schluchten, das Wunder der Gotthardbahn. Und wenn er diese Herrlichkeiten auch nicht bemerken würde, so wüsste er auch ohne Bädeker genau, an welchen Stellen er seine Ah! und Oh! anzubringen hätte. Selbst wenn er auf den Urirotstock gestiegen und dort deshalb so glücklich war, weil er die drei zum Kreuzjass Fehlenden gefunden, er würde nach Hause kehren in der Überzeugung, den ausgesuchtesten Naturgenuss gehabt zu haben. Denn er ist ja ,gewesen‘, hat die schönen Gegenden mit eigenen Augen gesehen.»
Der Rezensent attestiert Spitteler, die Dinge ohne alle Nebeninteressen bloss auf ihre Form, also ästhetisch zu betrachten, und deshalb erhalte er auch den reinsten Eindruck, das vollkommenste Bild von ihnen. Das sei der künstlerischen Anlage vorbehalten, einer hoch gesteigerten ästhetischen Kultur und somit dem Genie. «Mit solchen Augen sieht Spitteler die Welt, er prüft sie bloss auf ihren ästhetischen Gehalt.» Man dürfe deshalb auch voraussetzen, dass er mehr und besser sehe als wir. «Obwohl Spittelers ,Gotthard‘ also kein Reisehandbuch im gewöhnlichen Sinne ist, geht es doch dem Reisenden mit allerlei Winken an die Hand. In einem ersten Teile schildert es den Gotthard als Reiseziel für die Eisenbahnfahrt, fügt einige orientierende Bemerkungen bei über die Vegetation, Licht und Farben im Norden und Süden des Gotthard, die günstigste Zeit für eine Gotthardfahrt u. s. f. Der zweite Teil führt den Reisenden zu Fuss über den Gotthard und in seine Seitentäler. Hierbei scheint uns bloss das Maderanertal in der Beurteilung etwas zu kurz gekommen zu sein; doch das ist Geschmacksache und also nicht zu diskutieren.» Bemängelt wird vom Rezensenten, dass die Menschen im Buch keine Rolle spielten. «Doch am Schlusse, in einer einzigen Stelle, da streift er Menschliches mit einem Wort und – entschuldigt sich dafür. Unnötig wie uns scheint; denn gegen den Verdacht der Sentimentalität ist Spitteler durch den Ruf seines Geschmacks und der vollendeten Aristokratie seines Geistes hinlänglich geschützt.»
Gotthard mit europäischer Dimension
In der Revue «Die Schweiz – La Suisse – La Svizzera» vom April 1945 erscheint unter dem Titel «Spitteler und der Gotthard» ein Artikel mit mehreren Bildern, darunter eine Ansicht mit dem Urirotstock. Verfasser ist Professor Gottfried Bohnenblust, der an den Universitäten von Genf und Lausanne Deutsche Sprache und Literatur lehrte. Als Präsident der Eidgenössischen Spittelerkommission und Mitherausgeber der vom Bund publizierten Spitteler-Gesamt-Ausgabe macht Bohnenblust in Spittelers Beschäftigung mit dem Gotthard eine europäische Dimension aus, wenn er am Schluss seines Textes schreibt: «Auf der anderen Seite des Gotthard sind ja auch Menschen, so gut wie wir‘: so schliesst das erste Werk Spittelers, das uns über den Gotthard führt. Ein Lebensbund wird in diesem Zeichen geschlossen. Und der Dichter denkt nicht allein unseres südlichen Schweizergartens, wenn er die Südseite des Gotthard sinnt. Jene Welt reichte ihm weiter, über alle Grenzen: sie gehörte mit zu dem Europa, dessen Hoffnung bleibt, was das Land des Gotthards seit Jahrhunderten bedeutet und in diesen furchtbaren Jahren aufs neue verteidigt, aufs neue gewonnen hat. Der Gotthard als grosse Natur, der Gotthard als grosse Geschichte, der Gotthard als grosses Gleichnis: all das lebte im Dichter des Olympischen Frühlings. Darum wusste er sich hier mehr in Europa als überall sonst. Und darum wissen wir an seinem hundertsten Geburtstag von Herzen, wie sehr er unser Dichter ist.»
Olympischer Frühling mit Gotthard-Anklängen
Paul Burkhardt macht in seiner 1919 erschienenen Arbeit «Die Landschaft in Carl Spittelers ,Olympischem Frühling‘» deutliche Anklänge an die Gotthard-Landschaft aus. Spittelers Versepos war 1905 erschienen. Nicht nur die Verwendung des Namens Reuss deutet für Burkhardt darauf hin, dass Spitteler, soweit er Hochgebirgslandschaft schildert, namentlich durch die Gotthardlandschaft inspiriert wurde, sondern vor allem die Tatsache, dass er, indem er ein Buch über den Gotthard schrieb, für diese Gebirgsgegend ein ganz besonderes Interesse bekundete. Unterstützt werde diese Annahme durch die mündliche Äusserung Spittelers, im Gesang «Wagenrennen» schwebe ihm die Schöllenen vor. «Dass in einem gewissen Fall, wie im Gesang ,Wagenrennen‘ ein bestimmtes Vorbild deutlicher ins Bewusstsein des Dichters trat, ist ganz gut möglich. Verschiedene Berührungspunkte zwischen der in der Dichtung geschilderten Landschaft und der Schöllenen lassen sich feststellen. In der Dichtung wird der Weg durch die Schlucht von oben nach unten zurückgelegt, wie es Spitteler für eine eindrucksvolle Wirkung der Schöllenen empfiehlt. Auf diese Weise ist in der Wirklichkeit sozusagen gleich am Anfang, nachdem man kurze Zeit das ,rätselhafte‘ Tosen der Reuss vernommen hat, das Urnerloch zu passieren.
In der Dichtung müssen die Götter zu Beginn ihrer Fahrt mit ihren Wagengespannen durch den ,hohlen Stein‘ ihren Weg suchen. Als sie wieder ans Licht kommen, finden sie sich in einem ,Höllenlabyrinth‘, wo Fluh auf Fluh kopfüber in den Abgrund reitet, und wo Sonne und Schatten und die unheimliche Macht des tosenden Wassers die Sinne zu verwirren drohen. Auch dies stimmt mit der Wirklichkeit der genannten Gotthardlandschaft überein.» Sogar ein Analogon der Teufelsbrücke macht Burkhardt aus in den Worten: «des schlimmsten Steges schwindelhohe Brücke.» Fast zehn Jahre vor dem Gotthardbuch gibt es in Spittelers Werk eine erste Erwähnung des Gotthards. Am 29. April 1888 erschien in der «Deutschen Zeitung» in Wien seine Erzählung «Xaver Z‘Gilgen» in der es heisst: «Einmal im Jahre, zumeist im Spätherbst, trieb er eine der grossen Viehherden über den Gotthard auf den Markt von Lauis (Lugano).» Der Held der Geschichte verliebt sich im Süden in ein Mädchen, das eine Granatblüte über dem Ohr in den schwarzen Locken stecken hatte. «Danach begab sich Xaver auf die Heimreise, suchte seine Speranza auf, machte es mit ihr ,richtig‘ und nahm sie als seine Frau mit über den Gotthard.»
Federer über Spitteler
Im Heft 6 der Zeitschrift «Der Gral – Monatsschrift für schöne Literatur» aus dem März 1925 widmet der Priesterschriftsteller Heinrich Federer dem 1924 verstorbenen Carl Spitteler unter dem Titel «Spitteler + – Ein Brieflein aus der Schweiz» einen persönlich gefärbten Nachruf. Über diesen Dichter sei sehr leicht zu reden. «Denn er war der aufrichtigste Mann der Welt. Wie er dachte, schrieb er. Ja, er wurde oft zu aufrichtig, das heisst, er rannte mit der Lust eines gesunden starken und doch wohlerzogenen Hengstes gegen die Hindernisse von Vorurteil, traditionellem Klatsch und Beeinträchtigung der freien Meinung.» Später gesteht Federer allerdings, dass es gleichzeitig sehr schwer sei, über Spitteler zu schreiben. «Nein, wenn ich sage, über Spitteler sei schwer zu schreiben, so meine ich etwas ganz anderes, durchaus Literarisches. Einmal ist seine Mischung von helvetischer und antiker Götterluft, mythologischen Szenen mit Schweizerrassesprache, hausbacken schweizerischer, überaus naiv erdachter Episoden, aber voll Geist und – ich kann es nicht anders sagen – Kantönlihumor mit Halb- und Ganzgöttern in klassischer Kühle, Erhabenheit und oft auch Gemütlosigkeit, ich sage, einmal ist schon diese Mischung nicht so leicht zu fassen.» Dennoch ist für Federer Spitteler gross, da gebe es nichts herumzudeuteln.
«Spitteler war und bleibt die Verkörperung von menschlicher und dichterischer Grösse.» So schrieb die «Schweizer Illustrierte Zeitung» in der Nummer 19 im Mai 1931 und zitiert den ebenfalls mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichneten Franzosen Romain Rolland, der über Spitteler sagte: «Ihr aber, Schweizer, anerkennt ihn – auch wenn ihr ihn misskennt! Er ist ganz euer. Er ist der Grösste der Euren.» Fritz Marti nannte 1905 in seinem Artikel zum sechzigsten Geburtstag von Carl Spitteler in der Zeitschrift «Die Schweiz» den Dichter «einen Hohenpriester reiner Schönheit» und sagte über Spittelers «Olympischen Frühling», dass dieses Werk einen Ruhmestitel der Schweiz bilde. Albert Soergel gesteht in seinem längeren Artikel über Carl Spitteler im Buch «Dichtung und Dichter der Zeit – Eine Schilderung der deutschen Literatur der letzten Jahrzehnte»: «Ich wüsste keinen lebenden Dichter, von dem ich ein neues Werk so ersehnte, wie von Spitteler.» Gewissermassen volkstümlich geworden war Carl Spitteler als kluger Mahner zu Schweizer Einigkeit über die Sprachgrenzen hinweg mit seiner 1914 gehaltenen berühmten Rede «Unser Schweizer Standpunkt». Deutsche Intellektuelle wie der katholische Publizist Carl Muth, der einige Jahre auch als Redaktor in Einsiedeln gearbeitet hatte, und der Schriftsteller Paul Keller – sonst ein grosser Freund der Schweiz – geiferten in rüden Attacken gegen Spitteler, der mit seinen pazifistischen Voten quer lag gegen die in den umliegenden Ländern vorherrschenden wüsten, alle Sinne vernebelnden Dämonen des Krieges.
Text: Gerold Zenoni | Erstpublikation Urner Wochenblatt