Jürg Beeler hat einen neuen Gedichtband publiziert: «Die Vögel kehren zurück». Der gebürtige Zürcher bezeichnet sich selber als Lyriker, hat aber auch Romane veröffentlicht. Im Videobeitrag spricht er über seinen letzten Roman: «Der Mann, der Balzacs Romane schrieb».
Jürg Beeler | Dichter mit Papagei
Die Vögel kehren zurück
Die Erfahrung des Fremdseins, der Verlorenheit und des Exils zieht sich wie ein roter Faden durch den neuesten Gedichtband von Jürg Beeler «Die Vögel kehren zurück». Unterwegs sein oder bleiben, ankommen, um wieder aufzubrechen wie die Vögel, die zurückkehren, um wieder aufzubrechen. «All diese Urlaube, die an Flughäfen beginnen und enden.» – Eine Bewegung zwischen zwei Orten, zwei Polen, zwei Lebensweisen, zwischen den Sprachen: dem Deutschen, dem Schweizerdeutsch und dem Französischen. Es sind Momentaufnahmen, oft konkrete Situationen, eingefangen in knappen Zeilen. Durch die den Gedichten eigene Bildsprache weisen sie über sich hinaus, sind eingebettet in einen grösseren poetischen Zusammenhang.
Kuhwarm ist der Himmel über Isfahan
und leicht,
schrieb meine Mutter
in ihrem letzten Gedicht.
Ich habe ihren Schatten gehütet,
ich habe ihn zusammengerollt
und im Koffer versteckt.
Mit dem Klonen von Embryonen
habe er nichts am Hut,
erklärt der Fluggast neben mir,
wir landen eine Stunde zu spät,
aber in der Strasse,
in der meine Mutter wohnte,
gehen die Uhren noch,
gehen Jahrtausende vor oder nach.
Biographie
Der Autor Jürg Beeler, geboren 1957 in Zürich, studierte Germanistik, Literaturkritik und Komparatistik in Genf, Tübingen und Zürich. Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit unterrichtete er als Mittelschullehrer Deutsch und Fremdsprachen, arbeitete als Rezensent sowie als Reise- und Kulturjournalist. Für sein literarisches Schaffen wurde er mehrfach ausgezeichnet. Publikationen (Auswahl): «Die Liebe, sagte Stradivari» (2002), «Das Gewicht einer Nacht» (2004), «Solo für eine Kellnerin» (2008), «Der Mann, der Balzacs Romane schrieb» (2014), «In fremden Zimmern» (2017), «Die Vögel kehren zurück» (2019). Nach längeren Auslandaufenthalten in Spanien und Italien lebte Beeler von 2004 bis 2017 in Bremen. Seit Anfang 2018 lebt und arbeitet er in Narbonne, Südfrankreich.