Die Sommerausstellung «Ernst Ludwig Kirchner. Zwischen Malerei und Fotografie» rückt das fotografische Schaffen von Ernst Ludwig Kirchner in den Fokus. Sie zeigt, wie der Expressionist die Kamera als kreatives Werkzeug nutzte – nicht nur zur Dokumentation, sondern als eigenständiges Ausdrucksmittel im Dialog mit seiner Malerei.
Zwischen Licht und Leinwand: Kirchners fotografischer Blick
- Publiziert am 10. Juni 2025
Das Kirchner Museum Davos eröffnet einen überraschenden Blick auf das fotografische Werk des Expressionisten.
Kirchners Zugang zur Fotografie
Als Kirchner Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Fotografie begann, konnte er bereits auf eine Generation fotografisch geschulter Maler zurückblicken, die in der Lage waren, Manipulationstechniken der Fotografie in ihre Malerei zu integrieren. Als klassisch ausgebildeter Architekt und avantgardistischer Künstler war es für Kirchner schlicht unmöglich, seine Fotografie als rein technische Reproduktionsmöglichkeit unabhängig von der Kunstproduktion einzusetzen. Die Ausstellung «Ernst Ludwig Kirchner. Zwischen Malerei und Fotografie» im Kirchner Museum Davos befasst sich mit dieser einzigartigen Verflechtung von Malerei und Fotografie im Œuvre des Malers.
Neue Herausforderungen für die Malerei
Die Erfindung der Fotografie markierte einen Wendepunkt im 19. Jahrhundert. Sie veränderte nicht nur unseren Blick auf die Welt grundlegend, sondern stellte auch die etablierte Malerei vor völlig neue Fragen. Ernst Ludwig Kirchner, einer der prägendsten Künstler der Moderne, stellte sich diesen Herausforderungen und setzte sich intensiv, neugierig und mit grosser künstlerischer Sensibilität mit dem jungen Medium der Fotografie auseinander. Die aktuelle Ausstellung des Kirchner Museums Davos beleuchtet eine faszinierende Facette im Schaffen Kirchners, die bislang wenig Aufmerksamkeit erhielt: die zentrale Rolle der Fotografie. Während viele Künstler:innen seiner Zeit die Kamera primär als schnelles Skizzenbuch oder visuelles Notizbuch nutzten, ging Kirchner einen entscheidenden Schritt weiter. Er integrierte die Fotografie konsequent und bewusst in seinen gesamten kreativen Prozess. Sein beeindruckendes fotografisches Erbe – rund 1300 erhaltene Glas- und Zellulosenegative, zahlreiche Vintage-Prints und mehrere sorgfältig gebundene Fotoalben – zeugt von einer tiefen, langfristigen und experimentellen Auseinandersetzung mit diesem Medium.
Zwischen Dokumentationstechnik und Experiment
Für Kirchner war die Fotografie weit mehr als ein eigenständiges Ausdrucksmittel. Sie war ein unverzichtbares Arbeitsinstrument für seine Malerei. Er nutzte sie gezielt, um Bildideen zu entwickeln, den dynamischen Ausdruck von Körperhaltungen und Bewegungen zu studieren oder komplexe Kompositionen vorzubereiten. So ist die Fotografie untrennbar mit seinem malerischen Werk verbunden und prägt spürbar die Wahl seiner Motive, seine charakteristische Malweise und die Struktur seiner Bildkompositionen. Gleichzeitig schuf er damit ein einzigartiges Archiv seines visuellen Denkens – ein Fenster in seinen kreativen Geist. Kirchners fotografisches Werk bewegt sich in einem Spannungsfeld: zwischen dem präzisen dokumentarischen Festhalten seiner Umwelt und seiner Werke, dem künstlerischen Experimentieren mit neuen Möglichkeiten und der bewussten gestalterischen Praxis. Es offenbart nicht nur seine technische Neugier, sondern auch den lebendigen Dialog und die gegenseitigen Impulse, die zwischen Malerei und Fotografie im Aufbruch des frühen 20. Jahrhunderts herrschten.
(Textgrundlage: Kirchner Museum Davos)