Mit Holz assoziieren wir Aufbruchstimmung. Rund um das Material werden in Architektur und Städtebau einige der derzeit interessantesten Auseinandersetzungen über die Zukunft geführt. Ob es nun um den CO2-Ausstoss, technologische Entwicklungen, die Veränderungen der Stadtlandschaften oder unser Verhältnis zur Natur geht: Holz steht immer wieder im Zentrum der Diskussion.
Zentrum Architektur Zürich | TOUCH WOOD
- Publiziert am 1. Juni 2022
Eine Einladung, das Material Holz zu erleben, zu erforschen und damit die natürliche Umwelt neu zu entdecken.
TOUCH WOOD richtet sich an ein engagiertes Publikum von Fachleuten und Laien, die ihr Wissen über das Holz, sein Transformationspotenzial und die Wertschöpfungsketten in der Baukultur der Gegenwart und Zukunft teilen und erweitern wollen. Die institutionelle Begleitung und Unterstützung durch das Bundesamt für Umwelt (BAFU) und Stadt Zürich Kultur sowie einer Vielzahl von Partner:innen haben zum Projekt beigetragen. TOUCH WOOD positioniert sich zwischen Praxis und Forschung, ist Teil einer weitgreifenden Wissensvermittlung und setzt Akzente im gesellschaftlichen Diskurs über Nachhaltigkeit und eine zukunftsfähige Baukultur.
Ausstellung und Publikation TOUCH WOOD sind das Ergebnis einer unabhängigen Untersuchung, die von den Architekt:innen Carla Ferrer, Thomas Hildebrand und Celina Martinez-Cañavate im Rahmen von HILDEBRAND Studios in Zürich durchgeführt wurde. Das anfängliche Leitmotiv war, Erfahrungen aus Praxis, Forschung und Ausbildung zu vereinen, um ein besseres Verständnis über Holz zu erlangen. Ein Material, das in Projekten, Diskursen und Debatten zunehmend präsent ist.
Thematische Schlaglichter und Hintergrund
Um die Leistungsfähigkeit von Holz in der Architektur zu verstehen, muss man seine kulturellen, ökologischen und technologischen Zusammenhänge erkennen. Der kritische Dialog zwischen Wissenschaftler:innen, Denker:innen und Praktikern in der Ausstellung bietet einen ganzheitlichen Ansatz, vermittelt Wissen, schärft das Bewusstsein und regt die Fantasie an. Seinem Titel entsprechend ist TOUCH WOOD sowohl praxisnah als auch visionär angelegt. Die Ausstellung im ZAZ BELLERIVE Zentrum Architektur Zürich wird begleitet von einem attraktiven Veranstaltungsprogramm. Vertreter:innen herausragender Architekturbüros, Visionäre und Praktiker:innen der Holzindustrie, öffentliche Führungen und Rundgänge «extra muros» vermitteln spannende Einblicke in das vielschichtige Themenspektrum. Philosophische Reflexionen über den Wandel der Landschaft und unser Verhältnis zur Natur, Präsentationen und runde Tische befeuern die Debatten und fördern den Austausch von Know-how.
Eine Rückbesinnung
Holz braucht Zeit. Wälder und Bäume fordern uns dazu auf, in Jahrhunderten und Generationen zu denken, oder wie ein altes griechisches Sprichwort sagt: «Eine Gesellschaft wird gross, wenn alte Männer und Frauen Bäume pflanzen, in deren Schatten sie wissen, dass sie nie sitzen werden.» Das Wachstum, die Ernte, die Verarbeitung und die Pflege von Holz erfordern Geduld und ein langfristiges Engagement. Bauen mit Holz verlangt eine langfristige Planung, die verschiedene Akteur:innen und Mehrgenerationenstrukturen einbezieht. Holz ist wertvoll. Das Material kann eine wesentliche Rolle bei der Dekarbonisierung unserer Welt einnehmen, denn Baumaterialien und die Erstellung von Bauwerken sind für etwa zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Holz ist jedoch eine begrenzte Ressource, deren Nutzung einen respektvollen und klugen Ansatz bedingt. Und Holz ist nicht dieses eine Material, das alle Herausforderungen und Probleme der gebauten Umwelt lösen kann. Holz ist nicht neu. Es prägte die Entwicklung der Menschheit grundlegend. Ohne verarbeitetes Holz gäbe es kein Feuer, keine Häuser, keine Möbel und keine Werkzeuge. Den heutigen Entwicklungen geht eine lange Geschichte der Nutzung von Holz voraus. Alte, auf Wissenstransfer basierende Techniken bieten echte Lösungen, um die Grenzen des Holzes zu erweitern und sich eine alternative Zukunft vorzustellen. Handwerkliches Können ist heute wichtiger denn je.
Das Jahrhundert des Holzes
Es scheint das Gebot der Stunde zu sein, Holz in der Architektur einzusetzen. Die Schweiz nimmt dabei eine führende Rolle ein, die international anerkannt ist. Die lange Tradition, technologische Innovationen, eine fortschrittliche Politik und wirtschaftlicher Wohlstand schaffen ein produktives Umfeld für die Auseinandersetzung mit dem Material. Durch seine überschaubare Grösse, die Lage und die gut dokumentierte Geschichte eignet sich das Land für eine relevante Fallstudie, um die vielfältigen Dimensionen von Holz zu verstehen. Über die Schweiz hinaus ist Holz in der Architektur sehr präsent. Im Jahr 2016 erklärte die Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa, das 21. Jahrhundert werde das Jahrhundert des Holzes sein, und legte eine ehrgeizige Agenda für eine nachhaltige Forstwirtschaft und für resiliente Infrastrukturen fest. Die Diskussion über Holz aus einer breiten Perspektive ist notwendig, um die globalen Herausforderungen der bebauten Umwelt zu bewältigen. Am intensivsten wird ausgerechnet in Gebieten mit geringen Holzressourcen gebaut. Je nach Kontext ist Holz jedoch nur eines von vielen erneuerbaren Materialien, die für die Entwicklung einer nachhaltigen Baukultur entscheidend sein werden.
Global Denken
Wälder werden durch klimatische, geologische und kulturelle Bedingungen geformt und überschreiten nationale Grenzen. Wenn wir mit Holz arbeiten, müssen wir deshalb über das Lokale hinaus in grösseren Dimensionen denken. Die Schweiz ist ein gutes Beispiel für die Abhängigkeiten, die mit dem Material verbunden sind: Mehr als ein Drittel des in der Schweiz benötigten Holzes wird derzeit aus dem benachbarten Ausland importiert. Die produktive internationale Zusammenarbeit zwischen Expert:innen aus Industrie, Wissenschaft und Praxis erweist sich als Katalysator für das erneute Interesse am Holz und für seine Entwicklung. Im Umgang mit Holz ist es wichtig, über das Lokale hinaus zu denken und zu handeln.