Zu sehen sind Plastiken, Drucke und Zeichnungen von Aristide Maillol (1861–1944) und Renée Sintenis (1888–1965. Bei der monumentalen weiblichen Aktfigur La Méditerranée von Maillol handelt es sich um ein Meisterwerk der Sammlung «Am Römerholz». Ergänzt durch hochkarätige internationale Leihgaben wird die Entwicklung und Nachwirkung der Skulptur aufgezeigt. Die Berlinerin Sintenis, von Maillol hochgeschätzt und «Erfinderin des Berliner Bären», ist mit eher kleinformatigen Tierfiguren vertreten.
Von Grösse und Grazie – Maillol und Sintenis
- Publiziert am 18. Mai 2024
Die Sammlung Oskar Reinhart stellt zwei prägende Kunstschaffende des 20. Jahrhunderts einander gegenüber.
Die Mutter des Berlinale-Bären
Ob golden, silbern oder aus Glas: Der Berlinale-Bär ist in der Filmbranche eine begehrte Trophäe. Die Vorlage schuf in den 30er-Jahren Renée Sintenis. Sie entwarf ihn 1932 in einer ersten Form. Da wirkt er noch etwas ungelenker, tapsiger, war aber bereits die begehrte Trophäe der Berliner Filmfestspiele, der heutigen Berlinale. 1956 überarbeitet sie ihre Figur, die bis heute an der Berlinale verliehen wird. Ihre Karriere betrieb die Künstlerin von Anfang an mit Kalkül, Zielstrebigkeit und Selbstbewusstsein. Nach dem Bruch mit ihrem Vater, der sie zu seiner Rechtsanwaltsgehilfin machen wollte, fand sie über ihren Mann, den Berliner Sezessionisten Emil Rudolf Weiss, schnell Anschluss an die dortige Künstlerszene. Lernte Georg Kolbe, Joachim Ringelnatz und Hans Siemsen kennen und wurde zum Prototyp der emanzipierten Frau in der Weimarer Republik.
Juwel der Sammlung
Im Zentrum der Ausstellung steht das Hauptwerk und besondere Juwel der Sammlung – Aristide Maillols La Méditerranée von 1905-07. Der französische Bildhauer fertigte sie in Stein im Auftrag seines Mäzens Harry Graf Kessler. 1931 kam dieses Schlüsselwerk für die Entwicklung der Skulptur des 20. Jahrhunderts in die Sammlung Oskar Reinhart. In der Grossen Galerie der Sammlung kann sie nun erstmalig mit anderen gleichformatigen Versionen verglichen werden. Eigens für die Ausstellung sind die Marmorvariante aus dem Musée d’Orsay und die Gipsskulptur aus dem Musée Maillol aus Paris nach Winterthur gereist. Das Thema der unterschiedlichen Materialitäten wird an Hand von zahlreichen Kleinskulpturen, wie auch Reliefs und sogar einer Textilarbeit weiter ausgeführt.
Das Motiv der sitzenden Frau beschäftigte Maillol zeit seines Lebens. Allen Ausführungen auf dem Weg zur La Méditerranée gemein ist das Zusammenspiel von aufgestelltem und liegendem Bein. Die unterschiedlichen Möglichkeiten in der Sitzhaltung können in der Ausstellung anhand von gut zwanzig Figuren nachvollzogen werden und veranschaulichen Maillols beständige Suche nach der idealen Form. Diese wurde immer reduzierter aufgefasst, doch überschritt der Künstler nie die Schwelle zur reinen Abstraktion.
Berliner Star der Zwanziger Jahre
Maillols künstlerischer Werdegang wird dem Schaffen von Renée Sintenis gegenübergestellt. Die Berliner Bildhauerin gestaltete ihre Sujets, vorwiegend Jungtiere, kleiner und fragiler als Maillol seine meist weiblichen Aktfiguren. Renée Sintenis war ein Star im Berlin der Zwanziger Jahre. Besonders mit ihren Tierfiguren war die Künstlerin ungemein erfolgreich. Noch heute ist ihr Berlinale-Bär allgemein bekannt und ein Sinnbild der Stadt. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit haben sich Maillol und Sintenis sehr geschätzt und wurden auch von dem gleichen Mäzen gefördert – Harry Graf Kessler. Diesem wird in der Ausstellung ein eigenes Kapitel gewidmet, was ihn sowohl als Förderer, wie auch direkten Auftraggeber für aufwändige Bucheditionen und Skulpturen zeigt.
Aus aller Welt
Basierend auf einer Kooperation der Sammlung Oskar Reinhart mit dem Musée d’Orsay Paris, wird die Ausstellung durch hochkarätige internationale Leihgaben führender Museen und Sammlungen Europas wie dem Städel Museum Frankfurt, dem Petit Palais Paris oder dem Museum Boijmans Van Beuningen Rotterdam ergänzt. Zudem werden Werke aus Winterthurer Privatbesitz erstmalig in der Öffentlichkeit gezeigt, eine weitere kleine Sensation ist die Leihgabe der Courtauld Gallery London – ein Gemälde Renoirs, das den berühmten Kunsthändler Ambroise Vollard mit einer fragilen Terrakottafigur Maillols zeigt. Dieses Bild verlässt nun zum ersten Mal die Londoner Sammlung und trifft in der Ausstellung auf ebendiese dargestellte Skulptur.