Tim Hergersbergs Schöpfungen sind das Ergebnis einer langjährigen Auseinandersetzung mit einem wachsenden Repertoire an Materialien und handwerklichen Techniken. Die mundgeblasenen Glasvasen und Murmeln sucht er in Brockenhäusern oder auf Flohmärken zusammen. Darunter sind unsichtbar Armierungseisen, Kupferröhren, Epoxidharz und Gips verbaut, welche die fragilen Objekte zusammenhalten.
Tim Hergersberg bevölkert die Alte Kirche Härkingen mit gläsernen Tiefseetieren, Ausserirdischen oder Gött:innen aus Paralleluniversen
- Publiziert am 13. Februar 2023
Die Ausstellung «Sternensaat» von Tim Hergersberg beschäftigt sich damit, dass sowohl unsere grob- wie auch unsere feinstoffliche Existenz aus den Tiefen des Weltenalls herrührt. Auf einer intuitiv, spekulativen Reise erforscht der Künstler, welche Formen in fernen Biosphären bzw. alternativ programmierten biomorphischen Feldern manifestiert werden.
So wie fossiles Sternenlicht sich in unserer Netzhaut bricht, so können auch Ideen, Eingebungen und andere Informationen aus unvorstellbar weit entfernten Zeiträumen zu uns gelangen. So wie Sternschnuppen nach milliarden Lichtjahren in unserer Atmosphäre verglühen und sich der Sternstaub in unseren Kreislauf einmischt, so können beispielsweise auch DNA Bausteine zu uns gelangen, welche unser Sein fundamental beeinflussen. In milliarden Sonnensystemen in wiederum milliarden Galaxien gibt es garantiert weit höher entwickelte Existenzformen als wir Erdenmenschen es sind.
Durch diesen intergalaktischen Austausch, werden Impulse zu diversen Themen u.a. Biodiversität,
Architektur und Spiritualität gegeben.
Wer kann es beweisen? Wer kann es ausschliessen?
Kosmische Energien
Mehrere Monate bis Jahre tüftelt Tim Hergersberg an den einzelnen Kunstwerken bis sie sich in die mythisch anmutenden Geschöpfe verwandeln. Er hat eine Morphologie, eine eigene Formensprache, entwickelt, denn obwohl seine Werke alle ihren eigenen Charakter haben, ähneln sie sich stilistisch. Man findet kaum rechte Winkel, sondern runde, geschwungene Formen, die organisch anmuten. Durch ihre Grösse wirken sie majestätisch. Sie müssen gross sein, sagt der Künstler, um die körperlich-räumliche Erfahrung beim Umschreiten der Plastiken zu verstärken. Es könnten Tiefseetiere sein, Ausserirdische oder Gött:innen aus Paralleluniversen. Die Betrachter:innen sind dazu eingeladen, eigene Mythologien rund um die Wesen zu erfinden. Die Titel geben mögliche Richtungen vor.
So klingt der Cosmic Converter Reactor nach einer alchemistischen Raffinerie, die ungeahnte kosmische Energien bündeln und freisetzen kann. Schläuche – oder sind es Fühler? – ragen in die Höhe und tasten
und winden sich in alle Richtungen. Die imposante Erscheinung lässt einen als Betrachter:in unbedeutend anmuten, als wäre die Figur für grösseres bestimmt.
Frei von Dogmen
Der Crystal Altar gehört zu den neuesten Werken. Mit dem Titel wird seine mögliche Verwendung als spirituelles Werkzeug angedeutet. Und tatsächlich sollen auf den drei Altären in dieser Ausstellung ätherische Öle verdampft, Schwimmkerzen entzündet und ein Triangel gespielt werden. Die Werke können also aktiviert und für spirituelle Zwecke genutzt werden. Es wird jedoch bewusst keine Richtung vorgegeben. Vergeblich sucht man in den Werken nach eindeutig zuweisbaren religiösen Codes. Stattdessen fühlt sich der Künstler mit seinen Werken in einer neuen Spiritualität, welche frei von Dogmen ist zuhause. Den Betrachter:innen ist es selbst überlassen, was sie in die unspezifische Symbolik mit all den Wülsten, Öffnungen, Türmchen und Kugeln hineininterpretieren und welche Rituale sie an den Altären abhalten wollen.
Text: Luca Rey