Es sind Portraits aus der bewegten Zeit zwischen Ancien Régime und Aufklärung. Johann Melchior Wyrsch, der zu den wichtigsten Vertretern der Porträtmalerei des 18. Jahrhunderts in der Schweiz zählt, bildet die Frauen idealisiert oder realistisch ab und erreicht, dass sie sich in ihren Bildnissen als selbstbewusste Persönlichkeiten entfalten können.
Porträts von adeligen und bürgerlichen Damen
Johann Melchior Wyrsch wurde 1732 in Buochs geboren und erhielt seine Ausbildung in Luzern und Einsiedeln. 1753 und 1754 arbeitete er in Rom und Neapel. Nach seiner Rückkehr nach Nidwalden heiratete er 1761 Maria Barbara Keyser, die aus einer der führenden Nidwaldner Familien stammte. Das Paar liess sich 1768 in Besançon nieder und Wyrsch gründete dort eine Maler- und Bildhauerakademie. Nach erfolgreichen Jahren als Porträtmaler und als Direktor der Akademie kehrte Wyrsch in die Schweiz zurück und übernahm 1784 die Leitung der neuen städtischen Zeichenschule in Luzern. 1798 wurde er während des Franzoseneinfalls in Buochs erschossen.
Üble Nachrede
Bürgerliche und adelige Damen und Herren aus der Zentralschweiz, aus Solothurn sowie aus Besançon und der Region Franche-Comté gaben Bildnisse bei Johann Melchior Wyrsch in Auftrag. Die historischen Quellen geben über die Lebensläufe der porträtierten Männer viel mehr Auskunft als über die Frauen, die oft nur mit ihren Namen und in ihrer gesellschaftlichen Stellung als Gattinnen überliefert sind. Eine Ausnahme bildet die Ehefrau des Malers, Maria Barbara Wyrsch-Keyser (1740–1803). In einer wichtigen zeitgenössischen Quelle wird sie als kluge Frau beschrieben. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts kursieren jedoch unschöne Nachreden über sie, die sich bis weit ins 20. Jahrhundert hinein hartnäckig halten. Eine neu entdeckte Gerichtsakte sowie Bildvergleiche mit weiteren Frauenbildnissen Wyrschs und seiner Zeitgenossen revidieren dieses Bild.
Marquise de Pompadour als Vorbild
Die Ausstellung untersucht anhand von vier Themenfeldern, wie Frauen aus der Oberschicht im 18. Jahrhundert dargestellt wurden. Sie beleuchtet, weshalb sich Frauen in der bewegten Zeit zwischen Ancien Régime und Aufklärung sehr unterschiedlich porträtieren liessen. Die mächtige und hochgebildete Marquise de Pompadour, Mätresse des französischen Königs Louis XV., war vorbildhaft für viele Frauenbildnisse. Wyrsch porträtierte seine Gattin Maria Barbara Wyrsch-Keyser in ähnlicher Mode, Haltung und mit einem Buch in der Hand als Hinweis auf ihre Bildung.
Doppelkinn und Falten
Johann Melchior Wyrsch hatte eine ausgesprochene Fähigkeit, sich den Wünschen seiner Auftraggeber:innen anzupassen. So konnten die Frauenbildnisse unterschiedliche Funktionen annehmen: Je nach Inszenierung der Dargestellten waren sie hilfreich auf dem Heiratsmarkt oder dienten der Repräsentation und dem Herrschaftsanspruch. Bürgerliche Ideale prägten mehr und mehr die Art, wie sich Damen und Herren darstellen liessen. Es wurde auch unter Adeligen Mode, sich nicht mehr idealisiert, sondern naturalistisch malen zu lassen, zum Beispiel mit Doppelkinn oder Falten. Im Werk von Wyrsch überraschen die vielen uneitlen Frauenbildnisse. Am Beispiel von Porträts, die Wyrschs Ehefrau Maria Barbara und ihn selbst zeigen, wird sichtbar, wie bewegt ihre Zeit war und wie geschickt sie sich an sie anpassten. Sie zeigen sich manchmal in der Mode und mit Frisuren des Ancien Régime, manchmal schlicht und natürlich, den bürgerlichen Idealen verpflichtet.
Textgrundlage Nidwalden Museum