Das Polnische Nationalmuseum wurde am 23. Oktober 1870 auf die Initiative von Graf Władysław Plater in Rapperswil eröffnet. Nun soll die Institution, die nach 1952 als Polenmuseum bekannt war, ihre Ausstellungssäle zugunsten eines Stadtmuseums räumen. Grund genug, auf die bewegte Museumsgeschichte zurückzublicken.
Polenmuseum | Das «Exilmuseum» im Schloss Rapperswil
Die beiden Ausstellungen «Poczet» im Kunst(Zeug)Haus und «Eat the Museum» in der Alten Fabrik nehmen die bemerkenswerte und komplexe Geschichte des Polenmuseums und dessen bevorstehende Schliessung zum Ausgangspunkt. Die Doppelausstellung untersucht dabei die Logiken und Politiken des Ausstellens und Sammelns und hinterfragt zugleich die Vorstellung des Museums als neutraler, apolitischer und gewaltloser Ort.
Eine Nation ohne eigenes Land
Das Polnische Nationalmuseum in Rapperswil (Polskie Muzeum Narodowe) wurde zum ersten polnischen «nationalen» Museum überhaupt und fand seinen Sitz auf dem Schloss, das Graf Władysław Plater von der Stadt zu einem symbolischen Mietzins für 99 Jahre pachtete und damit auch vor dem Abbruch bewahrte, wozu er übrigens grosse Summen aus seinen persönlichen Ersparnissen einsetzte. Das Museum wurde am 23. Oktober 1870 ausserordentlich festlich eröffnet. Aufgabe des Museums war es, die in der Fremde zerstreuten Erinnerungsstücke und Kunstwerke zu sammeln, soweit sie einen Bezug zur Heimat hatten. Es sollte – wie Dr. Theodor Curti, die rechte Hand Platers in Rapperswil, in seiner Eröffnungsansprache sagte – als «Tempel» dienen, «in welchem das Bild Polens in alledem, was es an Allerhehrstem zu bieten hat, der Nachwelt überliefert werden soll». Nach dem Tode Władysław Platers kam das Museum unter die Obhut von mit der Sache vertrauten Emigranten und war fortan Ort für deren jährlich stattfindenden Treffen und Beratungen.
Der Umzug nach Polen
Kaum zu überschätzen sind die Verdienste, die sich Dr. Theodor Curti (1848-1914) für das Museum erworben hat: Der einstige Bürgermeister von Rapperswil, Nationalrat (Mitglied der grossen Kammer des Bundesparlamentes in Bern) und spätere Gründer der «Frankfurter Allgemeine Zeitung» hatte Plater bei dessen Plänen zur Gründung des Museums eifrig unterstützt und begleitete diese Stätte daraufhin mit grossem Wohlwollen. Nach der Wiedererlangung der Unabhänigkeit durch Polen wurden die Sammlungen des Museums 1927 in Übereinstimmung mit dem Testament Władysław Platers in einem Sonderzug in die Heimat überführt. Neben der Urne mit dem Herzen Kościuszkos, die durch Schweizer Offiziere eskortiert wurde, fanden in 13 Zugswagen ca. 3000 Kunstwerke, 2000 historische Denkmäler, rund 20‘000 Stiche, um die 9000 Medaillen und Münzen sowie etwa 92‘000 Bücher und gegen 27‘000 Manuskripte Platz. Ein Teil der Sammlungen aus Rapperswil, vorwiegend Bestände aus den Archiven und der Biblitohek, wurde während des Zweiten Weltkriegs zerstört. Erhalten geblieben sind aber die Kunstwerke, die patriotischen Erinnerungsstücke und Waffen, die man unter verschiedene Institutionen in der Heimat aufteilte. Sie gehören heute zu den wertvollsten Exponatem im Nationalmuseum, im Museum des polnischen Heeres, im Literaturmuseum (alle in Warschau) und im Königsschloss von Warschau, wo letztendlich auch die Urne mit dem Herzen Kościuszkos ihren endgültigen Platz bekam.
Zufluchtsort für Soldaten ohne Heimat
Im Juni 1940 wurden über 13‘000 polnische Soldaten der 2. Schützendivision in der Schweiz interniert, die unter dem Befehl von Bronisław Prugar-Ketling standen und sich nach der Besetzung Frankreichs durch Hitler-Deutschland hierher zurückgezogen hatten. Dem Polenmuseum fiel in jener Zeit die Aufgabe zu, als Bildungs- und Kulturzentrum zur Integration dieser Soldaten beizutragen und ihnen beim Überstehen der schwierigen Zeit der Trennung von ihren Familien und ihrer Heimat behilflich zu sein. Diese Soldaten wurden nun zum Bau von Strassen und Brücken (vor allem in den Bergen) herangezogen, ferner kamen sie bei Meliorationsarbeiten in Wald und Flur sowie bei Arbeiten in bäuerlichen Betrieben zum Einsatz. Die Schweizer Regierung ermöglichte den Soldaten in hiesigen Schulen und Hochschulen eine Ausbildung auf allen Bildungsstufen. Man begann damit, eigens für sie bestimmte Bücher und Zeitschriften zu drucken, man rief auch eine mobile Bibliothek für die Soldaten ins Leben.
Wiedereröffnung nach dem Zweiten Weltkrieg
Schnell zeigte sich, dass die neuen, nun kommunistisch gesinnten polnischen Behörden das Museum in eine Vertretung mit vorwiegend propagandistischen Aufgaben umwandeln wollten. In dieser Situation kündigten die Stadtbehörden von Rappperswil Polen den Pachtvertrag. Im Jahre 1952 wurden die Rapperswiler Sammlungen endgültig nach Polen gebracht, und an die Stelle des «Museums des zeitgenössischen Polen» trat der «Schweizerische Burgenverein», der im Rahmen einer Renovierung des Schlosses die polnischen Spuren fast vollständig aus diesem entfernte. Als Antwort auf die Beseitigung des Polenmuseums entstand im Januar 1954 ein schweizerischer «Verein der Freunde des Polenmuseums Rapperswil». Dessen Initiant*innen waren Schweizer*innen sowie polnische Emigrant*innen, die das kommunistische Regime in Polen entschieden ablehnten. Diesem Verein ist es zu verdanken, dass polnische Kultur und deren Errungenschaften auf Schweizer Boden weiter verbreitet werden konnten. Dank intensiver Bemühungen des «Vereins der Freunde des Polenmuseums Rapperswil» wurde 1968 die an die Konföderation von Bar erinnernde Säule vor dem Schloss wieder aufgestellt, und im Juni 1975 wurde auf Schloss Rapperswil das neue und bis heute fortbestehende Polenmuseum eröffnet.