Die Installationen der in Berlin lebenden Künstlerin Sung Tieu behandeln Themen von Migration, Identität und Bürokratie. Ihr künstlerisches Schaffen nimmt seinen Ausgangspunkt in den Abkommen zur Anwerbung vietnamesischer Vertragsarbeiter:innen in der ehemaligen DDR und deren Situation nach der Wiedervereinigung Deutschlands. Für ihre erste Einzelausstellung in der Schweiz konzipiert die Künstlerin eigens eine raumgreifende Installation, die sich in mehrere inhaltliche Kapitel aufgliedert.
«One Thousand Times» geht auf biografische Tuchfühlung mit der Berliner Künstlerin Sung Tieu
Ausgangspunkt ihrer künstlerischen Auseinandersetzung ist eine Wohnsiedlung in Ostberlin, in der einst vietnamesische Vertragsarbeiter:innen lebten.
Plattenbausiedlung Gehrenseestrasse Berlin
Infolge ihrer persönlichen Familiengeschichte begann Sung Tieu (*1987 in Hai Duong, Vietnam) sich mit den komplexen soziopolitischen Auswirkungen des Abkommen zur Anwerbung vietnamesischer Vertragsarbeiter:innen in der ehemaligen DDR zu beschäftigen. Es überlagern sich darin Aspekte der Arbeit, der Regulierung von Wohnraum und die Kontrolle von privaten Sphären. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die Plattenbausiedlung Gehrenseestrasse in Berlin, in der die Künstlerin einen Teil ihrer Kindheit verbracht hatte. Zu DDR-Zeiten war diese Plattenbausiedlung mit rund 1000 Wohnungen eines der grössten Wohnheime für vietnamesische Vertragsarbeiter:innen. Seit 2003 steht der Komplex leer und wurde Jahre später an private Immobilienfirmen verkauft. Demnächst wird er abgerissen, um einem neuen Hof- und Hochhausquartier Platz zu machen.
Minimalistische Konzeptkunst mit politischer Dimension
Sung Tieu verschränkt biografische Erfahrungen mit den gesellschaftspolitischen und ökonomischen Entwicklungen, die sich in der Geschichte
der Wohnsiedlung und ihren Bewohnenden spiegeln. Ihre künstlerische Recherche beruht auf systematischer Archivarbeit und verdichtet sich zu atmosphärischen Rauminstallationen aus Objekten, architektonischen Interventionen, Dokumenten, Zeichnungen, Videos und Sounds. Formal sind ihre Werke an der Ästhetik von Minimal Art und Konzeptkunst angelehnt. Dies scheint anfänglich im Widerspruch zum politisch-narrativen Ansatz der Künstlerin zu stehen, repräsentiert jedoch eine Form des kritischen Engagements, das den konventionellen Glauben an die Autonomie des Kunstschaffens und dessen Interpretation in Frage stellt. Die Ausstellung entsteht in Zusammenarbeit mit der Kunsthalle Nürnberg. Gemeinsam erscheint im Snoeck Verlag eine Publikation, welche das umfassende Recherchematerial der Künstlerin in den Mittelpunkt stellt. Sung Tieu war bereits in der Ausstellung Welt aus den Fugen im Kunst Museum Winterthur präsent. Ihre Einzelausstellung mit dem Titel One Thousand Times ermöglicht nun einen vertieften Einblick in ihr aktuelles Schaffen.