Fluss-, Schnee- oder Regenwasser: Janeth Berrettini lässt ihnen freien Lauf auf dem Aquarellpapier und untersucht damit deren unterschiedliche Viskosität. Werner Casty hingegen kommt dem unfassbaren Element in minutiösen Grafitzeichnungen auf die Spur. Flussläufe inspirieren Angelika Dreher zu geheimnisvollen Cyanotypien mit Pflanzen und Wèlé Bertschinger zu grossformatigen Ölbildern von Berg- und Waldlandschaften.
museumbickel | Mit allen Wassern
Das museumbickel in Walenstadt besteht seit 2002 und realisiert drei Ausstellungen pro Jahr. Interessante zeitgenössische Positionen aus der Schweiz werden gezeigt, wobei auch das Kunstschaffen in der Region regelmässig beleuchtet wird. Mit seinem eigenständigen Programm und zahlreichen anregenden Begleitveranstaltungen wie Führungen, Podiumsdiskussionen und Konzerten ist das museumbickel ein wichtiger Schauplatz des Kunstgeschehens der Region. Im Zentrum der Präsentation steht das Nebeneinander, die Beeinflussung, die lebendige Vielfalt der Kunst der Gegenwart, die sich den Besuchern in der Museumshalle immer wieder neu erschliessen.
Im Fluss und im Kreis
Als Bild für Transformation und Kreislauf zeigt Janeth Berrettini neben ihren Aquarellpapieren eine 10 Meter lange Papierbahn, auf der die Wassertropfen in verschiedenen Farbkonstellationen in einander übergehen. Ihre Arbeit Wassersammler hingegen sind Steinobjekte, die in Höhlungen Wasser tragen – genau wie die Mulden, in denen sich in der Natur das Regenwasser sammelt. Das Wasser verdunstet und muss im Laufe der Ausstellung immer wieder nachgefüllt werden – auch dies ein Kreislauf.
Aus Licht und Wasser
Auch Angelika Dreher arbeitet oft draussen: Für ihre Serie Cyaneau sucht sie renaturierte oder unversehrte Auenlandschaften auf. So zum Beispiel die Greina-Hochebene zwischen Graubünden und Tessin. Die Cyanotypie, ein altes fotografisches Verfahren aus den Anfängen der Fotogeschichte, ist dabei ihr Medium. Das im Voraus chemisch behandelte Papier wird der Sonne ausgesetzt – belichtet – wobei der Schattenwurf von Gräsern, Ästen, Blättern oder Insekten Leerstellen hinterlässt. Beim anschliessenden Waschen im Fluss kommt die blaue Farbe zum Vorschein. So sind diese Bilder tatsächlich von Licht und Wasser geschaffen. Und vom Fingerspitzengefühl der Künstlerin, die beispielsweise mit der weiteren Verarbeitung experimentiert, um ein sanftes Spätsommergelb zu erzielen. Ihre Werke vermitteln einerseits die Erfahrung von Natur ganz direkt und wirken andererseits abstrakt, indem die Lichtspuren sich zu Mustern formen. Die Bilder der Serie Cyaneau beschriftet Angelika Dreher auf der Rückseite mit den geografischen Koordinaten und betont damit die Entstehung vor Ort.
Fest – flüssig – flüchtig
Ganz zwischen Weiss und Schwarz bewegt sich das künstlerische Schaffen von Werner Casty. Seit rund 15 Jahren ist der Grafitstift sein Werkzeug. Auf Papier oder Holz lässt er damit Natur hervortreten, wie er sie auf seinen Wanderungen im Bündnerland oder auf der Insel Elba erlebt: als intensive Betrachtung der Materie, von Strukturen und Oberflächen. Er lenkt den Blick auf Felsbrocken, die sich vor dem Betrachter auftürmen, und nennt das Bild Horizont. Ebenso auf den steinigen Erdboden, ins schneebedeckte Gehölz oder mitten in die Gischt einer Brandung. Sein Werk hat sich sozusagen durch die verschiedenen Aggregatzustände hindurch entwickelt: Während frühe Werke sich mit Gesteinslandschaften auseinandersetzten, wenden sich neuere Arbeiten dem Schnee und schliesslich dem Meer und Unterwasserlandschaften zu. Die auf den ersten Blick fotorealistisch wirkenden Zeichnungen entstehen über Monate oder sogar Jahre hinweg. Dabei beherrscht Werner Casty die feinsten Abstufungen von Grautönen genauso wie die Kunst des Leerlassens. Die Bilder der letzten Jahre geben dem Licht sogar so viel Raum, dass sie an die Grenzen der Überbelichtung und Auflösung stossen.
Bergwasser bis Waldwasser
Ganz im Gegensatz dazu entfaltet sich Wèlé Bertschingers Malerei in einer intensiven Farbigkeit, wobei das Hell-Dunkel und die Tiefenwirkung mit Farbkontrasten gebildet werden, insbesondere mit komplementären Farben wie Blau und Orange. Auf grossformatigen Bildern zeigen die beiden Serien Bergwasser und Waldwasser schweizer Landschaften. Eine davon befindet sich sogar in der Nähe des museumbickel: Die Seerenbachfälle bei Betlis am Walensee. Mit beinahe 600 Metern Höhendifferenz gehören die Seerenbachfälle zu den höchsten Wasserfällen Europas. Diese Tatsache hat Wèlé Bertschinger konkret umgesetzt, indem er das Bild über vier Leinwände von insgesamt 5 Metern Höhe gemalt hat.
Die an Landkarten erinnernde Wirkung kommt durch eine eigene Technik zustande: Es handelt sich in Wirklichkeit um zwei Bilder, die sich durchdringen. Ein regelmässiges Raster von senkrecht angebrachten Klebstreifen, die nach der Übermalung wieder entfernt werden, lässt das darunterliegende Bild hervortreten. Inspiration dafür waren unter anderem römische Mosaike. Der Kontrast zwischen der strengen Ordnung und dem Spiel von Farben, Licht und Schatten macht die besondere Spannung dieser Bilder aus. Spiegelungen tragen zusätzlich zur vielschichtigen Wirkung bei.