Insekten und Museen scheinen auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun zu haben. Gerade in den Kellerräumen der Langmatt, wo die «Raumfahrt» zum sechsten Mal stattfindet, sind Spinnen und Asseln häufige, aber unwillkommene Gäste. Mit der nächsten Ausgabe des experimentierfreudigen Ausstellungsformates nähern sich Künstler:innen und die Kuratorin den ungebetenen Gästen aus künstlerischer Perspektive.
Museum Langmatt | Raumfahrt VI
Val Minnig präsentiert im grossen Keller drei riesige Netze, die mit farbigen geometrischen Mustern besprayt sind und sich kreuz und quer im Raum aufspannen. Die Muster auf den Netzen sind denen von doppelseitig klebenden Fliegenfallen-Folien nachempfunden, die bis heute in Kuhställen verwendet werden. Die dreidimensionalen Formen suggerieren den Tieren Hohlräume, in die sie auf der Suche nach Unterschlupf hineinfliegen, stattdessen aber an der Folie festkleben und grausam verenden. Die Arbeit stellt eine wundersame Nähe zwischen uns Menschen und den Insekten her und wir fragen uns angesichts der buntfarbigen Muster, ob die Tierchen auch ein ästhetisches Empfinden haben?
Badel/Sarbach haben mit Planty of Love eine vielschichtige, multimediale Arbeit entwickelt, die anhand eines winzigen Lebewesens, der Cochenilleschildlaus, nach Mechanismen des internationalen Handels, des Kolonialismus, der Tierethik und Rohstoffproduktion, dem Umgang mit der Natur und auch der Kunst und Kunstgeschichte fragt. Auf einem Bildschirm versucht eine animierte, überlebensgrosse Cochenilleschildlaus die Besucher*innen in etwas selbstgefälligem, amüsiertem Ton in ein Gespräch zu verwickeln. Gleichzeitig hat die Laus in der Installation den Weg zurück zu ihrem bevorzugten Lebensraum gefunden: in Form von plastikverpackten Lollis in karminroter Farbe auf Optunia-Kakteen, auf denen sie seit Jahrhunderten in Südamerika kultiviert wird.
Wo sind die Tierchen in Joaquim Cantor Mirandas Installation zu finden? Ein Gedicht auf dem Schildchen gibt Aufschluss: «Dust mites in carpets, pasture, green meadows / Tropospheric troubles / A wider audience / A sense of perspective». Neben Weiden und Wiesen sollen sich auch auf dem runden, roten Wollteppich Hausstaubmilben tummeln, was angesichts der weiten Verbreitung der Spinnentierchen auf Wohntextilien durchaus plausibel ist. Da sie mit einer Körpergrösse von weniger als einem Millimeter für das menschliche Auge nicht sichtbar sind, führen sie – bevorzugt in unseren Betten – in nächster Nähe zu den Menschen ein verborgenes Leben.
Eine Annäherung an ungebetene Gäste
Wir begegnen Insekten, Spinnen und Läusen in der Regel nicht mit Vermenschlichung und Zuneigung, sondern mit Ekel und Ablehnung. Das mag an ihrer Grösse liegen, den vielen Beinen und vielleicht auch daran, dass sie gewisse Krankheiten übertragen. Die Künstler:innen nähern sich mit Leichtigkeit und Humor den grundsätzlichen Fragen nach Hierarchien und Symbiosen von Mensch und Krabbeltier an.
Mit Werken von Badel/Sarbach (* 1983/1991 in Lavin, GR / Binn, VS, leben und arbeiten in Guarda), Val Minnig (* 1991 in Chur, lebt und arbeitet in Zürich) und Joaquim Cantor Miranda (* 1997 in Muttenz, lebt und arbeitet in Basel). Zur Ausstellung erscheint eine Publikation mit Ausstellungsansichten und einem Text von Daniela Minneboo (dt./engl.).
Text: Museum Langmatt