Das Kunstmuseum Liechtenstein spannt den Bogen vom Frühwerk der Künstlerin in den späten 1980er-Jahren bis hin zu ihrem aktuellen Schaffen. Gleichzeitig untersucht die retrospektiv angelegte Schau einen grundlegenden Werkaspekt von Liliana Moro: den Klang. Darauf spielt auch der aus der Musik entlehnte Ausstellungstitel «Andante con moto» an. Moros Arbeiten fordern die Besucher:innen immer auch zum aktiven Handeln auf. Physisch als auch intellektuell und emotional wird man Teil vom Ganzen.
Liliana Moro - Erstmals grosse Einzelausstellung
«Der rote Faden ist der Klang. Der Klang hat fast unvermeidlich eine öffentliche Dimension, Klang ist ‘Freiraum’.» – Liliana Moro
Katalog zur Ausstellung
Anlässlich der Ausstellung erscheint eine Publikation (deutsch/englisch) mit Texten des Schauspiel- und Opernregisseurs Fabio Cherstich sowie des Kunsthistorikers und Kurators Milovan Farronato. Darüber hinaus ist ein Interview von Letizia Ragaglia mit Liliana Moro sowie eine Reproduktion des handschriftlichen Manuskripts der Künstlerin zu ihren gesamten Klangarbeiten enthalten.
Bedeutung des Lauschens
Die Praxis des Zuhörens und die Auseinandersetzung mit dem Publikum zeichnen das Werk von Liliana Moro aus. Schon im Foyer des Museums wird klar, worum es in der Ausstellung geht: Ein zwei Meter hohes, blau leuchtendes Neon-Ohr (Ascolto, 2006) empfängt die Besucher:innen und weist auf die zentrale Bedeutung des Lauschens hin. Im Treppenaufgang zu den Oberlichtsälen ist die Neuproduktion Fischio #4 (2023) zu hören. Ein Pfiff der Künstlerin – ausgelöst durch einen Sensor – begleitet das Publikum auf seinem Weg in die Ausstellung. Den Auftakt bildet Spazi (2019), eine Arbeit, die auf Liliana Moros Praxis beruht, Modelle der vielen Orte anzufertigen, an denen sie ausgestellt hat. Auch das Kunstmuseum ist unter den detailgenauen Miniaturausstellungen vertreten. In Moi (2012) – einem Kreis aus zwölf Lautsprechern auf Stativen – ist erneut die Stimme der Künstlerin zu hören. Sie rezitiert Fragmente einer Rezension über ihre Performance Studio per un probabile equilibrio in movimento aus dem Jahr 1997. Moro hat sich der Herausforderung gestellt, den Text für die Ausstellung auf Deutsch zu sprechen, obwohl sie die Sprache nicht beherrscht. In einer Arbeit aus dem Jahr 2001, für deren Titel sie eine Leerstelle in Anführungszeichen gesetzt hat (“. “) wird das Publikum herausgefordert, über durchsichtige Glasscherben zu gehen. Moros Installation vereint körperliche und akustische Elemente, da die lauten Schritte auf dem Glas die Besucher:innen dazu veranlassen, ihre Bewegungen und Haltung anzupassen. Ein Baustellentisch, Stühle und Sonnenschirme bilden in Quattro Stagioni (2014) eine einladende Installation mit sommerlichem Anstrich. Dazu erklingt in verschiedenen Sprachen das Lied Bella Ciao (…senza fine, 2010). «Quattro Stagioni schmeckt nach Provinz, nach Partisanenliedern, aber auch nach der Küste, jener der Adria (…)», schreibt Milovan Farronato im Katalog zur Ausstellung. Ihre Fahrten mit der Mailänder U-Bahn inspirierten die Künstlerin zu dem neuen Werk Le Nomadi (2023). In den Zügen begegnete sie musizierenden und singenden «Nomaden»; Personen ohne festen Wohnsitz, die mit ihren Habseligkeiten unterwegs waren. Wie so oft bei Liliana Moro, spiegelt die aus Gepäcktrolleys bestehende Arbeit Menschliches und Alltägliches mit einem melancholischen Grundton wider.
Betreten, Niederkauern oder Zuhören
Liliana Moros künstlerisches Schaffen hat von den Anfängen bis heute unterschiedliche Ausdrucksmittel wie Klang, gesprochenes und geschriebenes Wort, Skulptur, Performance, Zeichnung, Collage und Video erforscht. Oft gehen ihre Werke von alltäglichen Gegenständen und Situationen aus und laden das Publikum ein, hinter das – nur scheinbar – Offensichtliche zu blicken. Jede ihrer künstlerischen Gesten verlangt eine aktive Beteiligung der Besucher:innen, sei es durch Betreten, Niederkauern oder Zuhören. Liliana Moros Praxis des kontinuierlichen Zuhörens regt uns zu erhöhter Aufmerksamkeit an und lädt ein, sich sowohl physisch als auch intellektuell und emotional zu beteiligen. Das Zuhören wird so zu einer geteilten Erfahrung.
Leidenschaft für das Theater
Liliana Moro wollte ursprünglich Szenografie studieren. Obwohl sie sich schliesslich für Malerei entschied, blieb ihre Leidenschaft für das Theater bestehen. Davon zeugt unter anderem ihre starke Affinität zu dem Dichter und Dramatiker Samuel Beckett, dessen Werk die Grundlage mehrerer ihrer Arbeiten bildet. Beckett befreite die Bühne von jeglichem Exzess und nutzte den Bühnenraum auch als skulpturales Element. Mit Beckett teilt Liliana Moro einen allumfassenden Blick auf den Raum und den Körper im Raum. So lauscht beispielsweise in Krapp’s Last Tape (Samuel Beckett, 1958) ein älterer Mann der Aufzeichnung seiner eigenen Stimme. Dieses Lauschen bildet den Ausgangspunkt für Liliana Moros neue Arbeit Andante con moto (2023).