Welche Künstler:in träumt nicht von ewigem Ruhm? Wer möchte nicht Leonardo da Vinci oder Michelangelo heissen, deren Werke über Jahrhunderte hinweg höchste Wertschätzung geniessen? Die Realität sieht allerdings anders aus: Nicht selten verliert sich das Wissen auch über erfolgreiche Künstler:innen schon bald nach deren Tod. Woran dies liegt, und was dagegen getan werden kann, ist Thema der Ausstellung «Gelobt, gepriesen und vergessen. – Von der Vergänglichkeit des Ruhms».
Kunstmuseum Thurgau | Gelobt, gepriesen und vergessen
Was steckt hinter den Schicksalen von Ostschweizer Künstler:innen, die einstmals berühmt waren, heute aber weitgehend vergessen sind?
Was bedeutet Ruhm?
Woran misst sich die Bedeutung von Kunstschaffenden? Diese Frage ist so einfach nicht zu beantworten, denn Erfolg kann sich in ganz unterschiedlicher Form zeigen. Sicher geben die Teilnahme an Ausstellungen und die Präsenz in Kunstzeitschriften Hinweise auf die Aufmerksamkeit, die einem Schaffen zukommt. Auch die Realisierung von Kunstwerken im öffentlichen Raum, das Ansehen bei Kolleg:innen oder ein Engagement in Berufsorganisationen können als Merkmale der Wichtigkeit einer Künstler:innenpersönlichkeit interpretiert werden. Die Basis für späteren Ruhm wird mit wenigen Ausnahmen schon zu Lebzeiten gelegt. Werke des wohl berühmtesten Thurgauer Malers Adolf Dietrich (1877–1957) waren schon ab 1913 in Dutzenden Ausstellungen nicht nur in der Ostschweiz, sondern auch in Zürich, Berlin, Mannheim, Paris und New York zu sehen. Seine Bilder wurden in Zeitschriften und Büchern reproduziert und verkauften sich zu ständig steigenden Preisen schneller, als er sie malen konnte. Die Aufmerksamkeit wuchs auch nach seinem Tod weiter, und heute gehört Dietrich unbestritten zu den bedeutendsten Malern der Schweiz, dessen Werk in wichtigen Privat- und Museumssammlungen prominent vertreten ist.
Die Vergessenen
Auch andere Künstler:innen erlebten zu Lebzeiten eine erfolgreiche Karriere. Theo Glinz (1890–1962), Sohn eines Zeichenlehrers, erhielt eine hervorragende Ausbildung, zuerst als Stickereizeichner in St. Gallen, dann in Paris und an der Akademie in München, einer der damals renommiertesten Ausbildungsstätten Deutschlands. Zurück in der Schweiz arbeitete er als Kunstlehrer, als Zeichner für den Nebelspalter und konnte seine Gemälde und grafischen Blätter in vielen Ausstellungen zeigen und verkaufen. Glinz gewann Wettbewerbe für Kunst im öffentlichen Raum, etwa für Bilder in der Kantonsschule St. Gallen, und er war Mitglied des Vorstands der GSMBA. Nach seinem Tod 1962 und einer Gedächtnisausstellung im Kunstmuseum St. Gallen verblasste die Bekanntheit des Künstlers aber bald. Heute kennt kaum jemand mehr seinen Namen. Theo Glinz ist kein Einzelfall. Erfolg und Bedeutung zu Lebzeiten sind eine unsichere Sache. Namen, die in früheren Zeiten einen guten Klang hatten, sind heute nicht selten nur noch Fachleuten bekannt, und ehemals teuer verkaufte Kunstwerke werden in Brockenhäusern oder auf Ebay zum Verkauf angeboten. Ähnliche Karrieren wie jene von Glinz sind im Bodenseeraum nicht selten, und schnell lässt sich eine ansehnliche Liste von in Vergessenheit geratenen Künstler:innen zusammenstellen, auf der etwa Ernst Emil Schlatter (1883–1954), Martha Haffter (1873–1951), Fanny Brügger (1896–1970) und August Herzog (1885–1959) figurieren, aber auch jüngere wie Jacques Schedler (1927–1989), Charlotte Kluge-Fülscher (1929–1998) oder Paul Talman (1932–1987). Die Ausstellung «Gelobt, gepriesen und vergessen – Von der Vergänglichkeit des Ruhms» spürt solchen Persönlichkeiten der Ostschweizer Kunstszene nach, deren Schaffen aus dem Zentrum der Aufmerksamkeit verschwunden ist. Sie dokumentiert die Lebendigkeit des kulturellen Lebens in dieser Region und thematisiert die Schnelllebigkeit des gesellschaftlichen Gedächtnisses.