Der japanische Künstler On Kawara gab als Biografie stets die Zahl gelebter Tage an. Er hat 29 771 Tage gelebt. Als Hommage an die einzigartige Werkgruppe aus der Sammlung des Kunstmuseums St. Gallen – zusammengestellt von Kawara und seiner Frau selbst – stehen in der Ausstellung fünf Kunstschaffende im Dialog zu ihnen. Bethan Huws, Tatsuo Miyajima, Aleksandra Signer, Barbara Signer und Roman Signer nähern sich dem Fluss der Zeit in immer neuen Aspekten.
Kunstmuseum St.Gallen | On – On Kawara
Zeit definiert unsere Existenz wie kaum eine andere Dimension und erscheint dennoch nicht fassbar – dem widmete sich On Kawara in seinen Werken.
Der 1933 in Kariya, Aichi, geborene und 2014 in New York verstorbene Künstler On Kawara ist ein wichtiger Vertreter der Konzeptkunst. Kawara schuf seit den 1960er Jahren ein, in seiner Reduktion extremes Werk der zeitgenössischen Kunst. Seit den 1960er Jahren wurden seine Arbeiten kontinuierlich in Einzel- und Gruppenausstellungen international ausgestellt. Die Arbeiten von Kawara wurden weltweit gezeigt: unter anderem 1970 an der Tokyo Biennale, 1976 an der Kyoto Biennale sowie an der Biennale di Venezia, 1977, an der documenta 6, 1982 an der documenta 7 sowie 2002 an der documenta 11 in Kassel. On Kawara gab als Biografie stets die Zahl gelebter Tage an. Er hat 29 771 Tage gelebt. Er gab keine Interviews, liess sich nicht fotografieren und erschien nicht an Vernissagen. Er lebte in New York, wenngleich er ständig auf Reisen zu sein schien.
Chiffren des Seins
Biologische Lebenszeit und Kunst scheinen bei On Kawara identisch zu werden. Seine Chiffren des Seins zeigen sich in der kohärenten Werkgruppe, die 1997 und 2007 noch von seiner Frau Hiroko und dem Künstler selbst für St.Gallen zusammengestellt werden konnte. Die fünf ausgewählten zeitgenössischen Kunstschaffenden haben sich nochmals neu auf das Thema eingelassen und ihre Werke aus der Sammlung des Kunstmuseums ergänzt und erweitert, um sich noch präziser dem Künstler On Kawara und der Flüchtigkeit der Zeit anzunähern.
Konsequent konzeptuell
On Kawaras Werkreihe «TODAY Series», auch bekannt als «Date Paintings», gehören zu den konsequentesten Formulierungen der Gegenwartskunst. Der Künstler fertigte die «Datumsbilder» seit dem 4. Januar 1966 Zeit seines Lebens beinahe täglich an. In extremer Verdichtung lässt die TODAY Series individuelle Lebenszeit, künstlerischen Schaffensprozess und malerisches Werk eins werden. Die Datumsbilder entstanden an dem Tag, dessen Datum sie tragen. Konnte das Gemälde bis Mitternacht nicht vollendet werden, existiert es nicht
und wird zerstört. Als Verpackung erhalten die Gemälde eine passgenaue braune Kartonschachtel, in dessen Innendeckel vielfach ein Ausschnitt einer Tageszeitung eingeklebt ist. Abschliessend notierte Kawara das Werk in seinem Journal. Die Datumsbilder sind meist in dunklen Grautönen gehalten. Die dünnflüssige Liquitex-Farbe wird dabei in mehreren Schichten – mit verschiedenen Rot- und Blauuntermalungen – aufgetragen und auch die Schrift wird abschliessend von Hand sorgfältig gezeichnet, so dass sich die einzelnen Werke bei genauem Hinschauen durch ihre fein differenzierte Farbigkeit deutlich voneinander unterscheiden. Nur wenige Bilder in leuchtendem Blau oder Rot treten aus der dunkeltonigen Werkreihe hervor. Kawara erklärte, seine Bilder seien «eine Art Meditation, eine Übung, die nützlich ist, um sein Ich zu verlieren». Das Kunstmuseum St.Gallen hat das Privileg, vier Gemälde aus der Serie der Datumsbilder von 1966 zu besitzen. Dieser Werkblock aus dem ersten Jahr der «TODAY Series» ist in der Schweiz einzigartig.
Kooperation mit dem Kinok
Im September laufen im Kinok – Cinema in der Lokremise unter dem Programmtitel «It’s All About Time» Filme zum Thema Zeit. Wer eine Vorstellung im Kinok besucht, hat mit dem Ticket am gleichen Tag freien Eintritt in die Ausstellung.