Das Kunstmuseum Basel zeigt in der ersten grossen Ausstellung der Schwarzen amerikanischen Künstlerin Kara Walker (*1969) in der Schweiz über 600 noch nie gezeigte Papierarbeiten aus ihrem persönlichen Archiv. Diese Werke, die in den letzten 28 Jahren entstanden sind, werden neben brandneuen Zeichnungen präsentiert, die sich mit zeitgenössischen Themen wie dem Erbe Barack Obamas auseinandersetzen.
Kunstmuseum Basel | Kara Walker
- Publiziert am 4. Juni 2021
Rassenbeziehungen, Geschlechterrollen, Sexualität und Gewalt: Kara Walker fordert Betrachter*innen auf, etablierte Erzählungen in Frage zu stellen.
Kara Walker wurde 1969 im kalifornischen Stockton geboren und zog im Alter von 13 Jahren mit ihrer Familie nach Atlanta, Georgia. Dort studierte sie am Atlanta College of Art (Bachelor of Fine Arts 1991) und anschliessend an der renommierten Rhode Island School of Design (Master of Fine Arts 1994). Kara Walker hat für ihr Werk zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter der John D. and Catherine T. MacArthur Foundation Achievement Award 1997 und das Eileen Harris Norton Fellowship 2008. Walker ist Mitglied der American Academy of Arts and Letters (gewählt 2012) und der American Philosophical Society (gewählt 2018). 2019 wurde sie von der Royal Academy of Arts, London, zur Honorary Royal Academician ernannt. Ihre Werke sind in renommierten Museen und öffentlichen Sammlungen in den USA und Europa vertreten, so im Kupferstichkabinett des Kunstmuseums Basel, im Solomon R. Guggenheim Museum, New York, im Museum of Modern Art, New York, im Metropolitan Museum of Art, New York, in der Tate Gallery, London, im Museo Nazionale delle Arti del XXI secolo (MAXXI), Rom und in der Sammlung der Deutschen Bank, Frankfurt a. M. Die Künstlerin lebt und arbeitet in New York.
A Black Hole Is Everything a Star Longs to Be
Kara Walker zählt zu den profiliertesten Kunstschaffenden der USA. Mit traditionellen künstlerischen Techniken und aussergewöhnlicher Raffinesse schafft sie provokative Werke, die sich mit Geschichte, Rassenbeziehungen, Geschlechterrollen, Sexualität und Gewalt befassen. Walker bietet keine Versöhnung mit der Vergangenheit an, sondern fordert den Betrachter auf, etablierte Erzählungen und festgefahrene Mythen in Frage zu stellen. Schonungslos analysiert sie tief verwurzelte Konflikte und anhaltende soziale Missstände. Angesichts der Bewegung Black Lives Matter, die im Lichte jüngster Ereignisse auch vermehrt ins allgemeine Bewusstsein rückte, ist Walkers Werk heute aktueller denn je.
Einblick in die Arbeitsweise
Mitte der 1990er-Jahre wurde die Künstlerin bekannt für ihre wandfüllenden Scherenschnitte. Im Winter 2019/2020 hat sie mit ihrer monumentalen Skulptur «Fons Americanus» in der Tate Modern in London für Schlagzeilen gesorgt. Die Basis von Kara Walkers künstlerischer Praxis ist jedoch das Zeichnen auf Papier. Für die Basler Ausstellung öffnet die Künstlerin erstmals ihr gut gehütetes Archiv und gibt einen noch nie dagewesenen Einblick in ihre Arbeitsweise. Kleine Skizzen, Studien, Collagen und sorgfältig ausgearbeitete Grossformate hängen neben tagebuchartigen Notizen, maschinengeschriebenen Gedanken auf Karteikärtchen und Traumaufzeichnungen. Die zeichnerische Intimität des Einzelblattes steht dabei in spannungsgeladener Wechselwirkung zur schieren Menge des Gezeigten: Durch das Ein- und Auszoomen wird der Betrachter zum Augenzeugen der Entstehung von Walkers Kunstwerken, indem er beobachtet, wie sie ihre Gedanken auf dem Papier umsetzt, Figuren und Erzählungen erfindet, adaptiert und transformiert.
Fragen nach der Identität
Verglichen mit den eleganten Scherenschnittpanoramen wirken ihre Zeichnungen spontaner und emotionaler. Oft mit Pinsel ausgeführt, besitzen sie eine fliessende, offene Dynamik. Fragen nach der eigenen Identität – als Künstlerin, als Schwarze, als Frau und Mutter – stellt Walker sowohl auf einer persönlichen Ebene als auch immer im gesellschaftlichen Kontext aktueller Ereignisse. So sind für diese Ausstellung etwa vier sensationelle Rollenporträts zu Präsidentschaft und dem Erbe von Barack Obama entstanden. Zudem ist die 38-teilige Arbeit «The Gross Clinician Presents: Pater Gravidam» zu sehen, welche Fragen der Inspiration und Kreativität sowie zeichnerischer Traditionen thematisiert, für die das Kupferstichkabinett eine Fülle von Beispielen besitzt.
Text: Kunstmuseum Basel