Der österreichische Bildhauer Michael Kienzer weiht das frisch sanierte Kunsthaus mit seiner ersten umfassenden Einzelausstellung in der Schweiz ein. Er präsentiert neue Arbeiten, setzt sich mit der Architektur des Kunsthauses auseinander und nimmt einen Dialog zu einem wichtigen Vertreter der Kunsthaus-Sammlung auf: Zum Wiener Künstler Fritz Wotruba.
Kunsthaus Zug | Michael Kienzer - Lärm und Linien
Rückkehr?
Im Hof des Kunsthauses Zug steht eine Skulptur, sie heisst ‹Parasit›. Der ‹Parasit› besteht aus Stahlschnüren, die ineinander verknotet sind und doch leicht und ausladend im Freien stehen. Seit 2010 hat der ‹Parasit› seinen Platz im Hof, er war Exponat der Ausstellung „LINEA. Die Kunst der Linie zwischen Antike und Gegenwart“. Nun kehrt sein Autor zurück nach Zug: Der österreichische Künstler Michael Kienzer (geb. 1962 in Steyr) bespielt das frisch sanierte Kunsthaus.
Kein Stein
Obwohl er nicht mit Meisseln in Steine haut, bezeichnet sich Kienzer als Bildhauer und fragt sich, was Bildhauerei heute leisten kann. Eine Antwort schlägt er mit seiner Ausstellung vor: Als skulpturales Ganzes macht er sich die Architektur des Hauses zu eigen, greift Elemente heraus, dekonstruiert sie und verarbeitet sie weiter. Wie seine raumgreifenden Werke im Spannungsfeld zur Struktur des Baus stehen, so reiben sie sich auch selbst, stehen in der Schwebe und scheinen die Balance zu suchen: Geschlossene Formen treffen auf offene, Ordnung auf Chaos, in sich ruhende, elegante Elemente auf solche von abweisender Aggressivität. Er spielt mit dem Wirken physikalischer Kräfte, stört, verändert und konzentriert sie, um Räume künstlerisch zu vermessen.
Auch performative Aspekte
Kienzer lebt und arbeitet in Wien, und stellt seit 1984 im In- und Ausland aus, 2016 etwa in der Kunsthalle Krems und 2012 im Kunsthaus Graz. Er wurde u.a. ausgezeichnet mit dem Kunstpreis der Stadt Wien 2015 und 2011 mit dem Österreichischen Kunstpreis für bildende Kunst. Kienzer nimmt in Österreich eine zentrale Position ein im Bereich zeitgenössischer Skulptur. Geprägt vom erweiterten Kunst- und Werkbegriff der 1960er-Jahre lotet er in Arbeiten aus industriellen Materialien die Spannung zur autonomen Skulptur und Plastik der Moderne aus. Zugleich bezieht er performative Aspekte ein, wie sie im Wien der 1970er- und 1980er-Jahren entwickelt wurden.
Eine Gegenüberstellung
In Zug tritt Kienzer in einen Dialog mit einem wichtigen Vertreter der Sammlung des Kunsthauses, dem Wiener Künstler Fritz Wotruba (1907–1975), der im Zuger Exil den Krieg überstand. Zwar sind sich die beiden Künstler nie begegnet, eine prägende Figur ist Wotruba für Kienzer dennoch. Er hat bei dessen Schüler Josef Pillhofer in Graz an der Kunstgewerbeschule studiert und stand anschliessend in engem Kontakt mit Bruno Gironcoli, dem Nachfolger Wotrubas als Professor an der Akademie der bildenden Künste Wien. Die neue Auseinandersetzung mit Wotruba erfolgt im Zuge von Kienzers vermehrten Konzentration auf bildhauerische Werkqualitäten in Abgrenzung von temporalen oder multimedialen Ausformungen. Wie bei Wotruba verbinden sich in seinen vieldeutigen Werken architektonisch-räumliche Qualitäten mit prekären Gleichgewichten, Hermetisches mit Expressivem, Widerständiges mit Konstruktivem usw.