In der Ausstellung «Gezeiten» spürt die Künstlerin den kleinen Veränderungen in scheinbar konstanten Kreisläufen auf. Es sind die unaufgeregten Resonanzen ihres Alltags, welche die Künstlerin in ihren Videoarbeiten in den Vordergrund rückt und zu einer atmosphärisch, sinnlichen Raumintervention zusammenführt. Sie drängen sich auf und weichen zurück, pendeln zwischen sichtbar werden und verschwinden.
Kunsthalle Wil | Gezeiten
- Publiziert am 24. September 2021
Das feuchte Erdgeschoss
Ein Rinnsal schleicht quer über die Wand und sammelt sich in einer Wasserlache. Das Wasser ist nur in seiner fliessenden Bewegung erkennbar. Mit der reflektierenden Oberfläche wird es zum Spiegel seiner Umwelt, der Staub des Alltags wird mitgespült. Das Rinnsal bahnt sich seinen Weg weiter der Wand entlang bis es in der Decke versickert. Es scheint als tropfe das eben versickerte Wasser nun von der Decke direkt in die nächste Videoinstallation «Sonnwende». Der Monitor als Wasserauffangbecken. Ein kugeliger Wassertropfen fällt mitten in eine Lichtquelle, als wolle er das Licht ausknipsen. Buchstäblich in die Tiefe zieht sie den/die Betrachterin in ihrer raumgreifenden Videoprojektion «Tauchgang». Die grüne Farbe und die Lichtreflexionen wähnen uns auf einem Tauchgang, eine sinnlich spielerische Entdeckungsreise durch langsam drehende Wellen, Lichtspiele unter Wasser, in Tiefen abtauchen, von der Flut überrascht werden, von den Wellen herumgewirbelt zur Wasseroberfläche hinauftauchend.
Zwischen Aussen- und Innenraum
Hier zeigt die Künstlerin ihren spielerisch raffinierten Umgang mit den räumlichen Begebenheiten. Die Holzbalkenkonstruktion hat sie in ihrer mehrteiligen Projektion «Flugfäden» direkt aufgegriffen und in einen Estrich verwandelt. Spinnweben tanzen im Gebälk in einem rhythmischen auf und ab und hin und her, als könnte man an diesem verlassenen Ort das Atmen des Raumes hören. Die einzige Hinterlassenschaft an diesem Ort, ein umgekippter Tisch, über den sie vermutlich, beim Hereintreten ins Obergeschoss, beinahe gestolpert sind. Die Tischplatte wird in Georgette Maags Arbeit «Kreislauf» zur Projektionsfläche. Dichtes Blattwerk, welches sich übrigens beim Ausblick durch die Fenster wiederholt, bewegt sich im Wind. Schemenhaft steht eine Frau reglos hinter ihrer Kamera – die Künstlerin selbst. Was filmt sie? Uns, die Betrachter? Sich selbst? Die Bäume? Das Bild birgt Geheimnisse, mehrere Ebenen schichten sich übereinander. Durch die Spiegelung vermischt sich Aussenraum mit Innenraum, Künstlerin mit Kunstwerk und in ihrer subtilen Aktion verbindet Georgette Projektionsraum mit realem Raum und entzieht uns die Beobachterrolle, indem sie uns beobachtet.
Es sind stille, kontemplative Videoarbeiten welche Georgette zu einer Gesamtinstallation mit dem Innen- und Aussenraum der Kunsthalle sensibel, sinnlich und poetisch verwoben hat. Sie lädt uns Besucher ein auf einen Spaziergang, zum Verweilen, Beobachten und Schmunzeln.