«Evidence of Evidence» von Hassan Khan in der Kunst Halle Sankt Gallen ist eine tiefgründige Ausstellung, die Aufmerksamkeit und Mitdenken seitens der Betrachter fordert.
Kunsthalle SG | Hassan Khan
Hassan Khan gilt als einer der aktivsten und spannendsten Künstler im Mittleren Osten. Wie der Titel der Ausstellung suggeriert, erörtert Khan die Rolle der Kunst als konzeptuelle und sprachliche Tätigkeit. Dafür bedient er sich verschiedenster Medien wie Video, Fotografie, Performance und Installation. Die Kunst Halle Sankt Gallen freut sich, mit «Evidence of Evidence» Khans bisher grösste Ausstellung zu zeigen, die er während eines mehrmonatigen Aufenthalts in St. Gallen entwickelt hat.
Mit seinem Interesse für interdisziplinäre Formate sowie durch die Einbindung diverser kultureller und sozialer Orte in St. Gallen wirft Khan in «Evidence of Evidence» einen tiefgründigen, spannenden Blick auf den Prozess künstlerischer Produktion. Angetrieben von konzeptuellen, formellen, aber durchaus auch persönlichen Beweggründen sind in intensiver Auseinandersetzung mit der Stadt sowie der Kunst Halle als Institution Arbeiten entstanden, die sich mit Sprache, Gesten und der Begrifflichkeit des Kunstjargons beschäftigen. Dabei unterscheiden sich diese Werke radikal in Bezug auf Herangehensweise, Medium sowie Verständnis von Präsenz im Raum. Die Ausstellung entsteht aus dieser Differenz und lebt von ihr; sie fordert die Besucher auf, existierende, aber nicht ausgesprochene Beziehungen aufzudecken. Letztlich soll «Evidence of Evidence» zu einer Woge werden, in der sich Bedeutung ständig verändert, während wir uns in ihr weiterbewegen.
Mit einer minimalistischen Skulptur aus 44 massiven Betonblöcken sowie einer Videoarbeit, in der Mitarbeiter der Kunst Halle auf einer Theaterbühne ein stummes Stück aus Gestik und Blicken inszenieren, spielt Khan leise auf der Klaviatur der Institutionskritik. Er unterstreicht damit zwei wichtige Momente in der Wahrnehmung von Kunst: ihr Dasein als physische Behauptung im Raum sowie ihre Vermittlung und Kommunikation, die nicht immer durch Verbalisierung möglich sind. Dabei vergisst er nicht, Kunst auch als emotionale und sehr subjektive Tätigkeit zu betrachten und dadurch die Rolle des Künstlers zu thematisieren. So ziehen sich persönliche Beziehungen und Erinnerungen wie ein roter Faden durch die Ausstellung. Fotografische Reproduktionen von Statuetten, welche Khan seit seiner Kindheit besitzt und die seinen ersten Bezug zu Symbolik, Manufaktur und Exotik verkörpern, sowie ein Videoportrait einer früheren Partnerin des Künstlers machen dies sichtbar.
«Evidence of Evidence» ist eine Ausstellung, die Aufmerksamkeit und Mitdenken seitens der Betrachter fordert. Khans künstlerische Tätigkeit – die weit weg von jeglichen ethnographischen Parametern entsteht – lässt sich nur so entschlüsseln. Er vergisst aber nicht, den Besuchern eine Einstiegsmöglichkeit in seine Welt zu bieten: So wird eine kleine Retrospektive in Form von 30 Radierungen zu sehen sein, die Schlüsselwerke seines Schaffens darstellen. «Evidence of Evidence» ist also nicht nur eine für die Kunst Halle Sankt Gallen spezifisch entwickelte Ausstellung, sondern erlaubt auch eine umfassende Sicht auf Khans projektorientierte und konzeptuelle Arbeitsweise.