Als Höhepunkt in diesem Jahr sowie als letzte Eigenproduktion in den Frigorex-Hallen vor dem Umzug ins Bourbaki-Panorama zeigt die Kunsthalle Luzern die Ausstellung: Dieter Roth, Das Tränenmeer.
Kunsthalle Luzern | Dieter Roth
„Eine Träne ist besser als ein böses Wort!“ – Am Mittwoch, dem 17. März 1971, erschien dieser Satz als Inserat im ‚Anzeiger Stadt Luzern und Umgebung’. Bis zum 15. September des folgenden Jahres waren in dem Gratisblatt, das in alle Luzerner Haushalte verteilt wurde, 130 weitere poetische Inserate zu lesen. Auf ihren Autor, Dieter Roth (1930-1998), verwies einzig das Kürzel D. R.
Der Künstler sandte die Texte der mit ihm befreundeten Luzernerin Erica Ebinger, damit sie die Inserate für ihn bei der Zeitung aufgebe. Geplant hat er ursprünglich 220 Anzeigen, doch die Geschäftsleitung des ‚Anzeigers’ stellte den Abdruck mit der Begründung ein, diese rätselhaften Texte seien „ganz einfach für die Öffentlichkeit nicht mehr zumutbar.“
Später äusserte sich Dieter Roth über das populäre Luzerner Werbeblatt: „Das geht da brutal zu auf diesen Seiten, das ist wie ein grosser Schrotthaufen. Da hab ich gedacht, da steck ich so eine kleine Träne noch hinein.“ Aus dieser Inserate-Aktion, aus den ‚Satz-Tränen’ entstanden in der Folge sowohl der Zeitungsband Der Tränensee als auch fünf Bücher mit dem Titel Das Tränenmeer. Sie zählen zu den wichtigsten Literaturprojekten des Künstlers.
Die genannten literarischen Interventionen stehen im Zentrum der Ausstellung, die Roths wenig bekannter Beziehung zu Luzern gewidmet ist. Der Künstler hielt sich oft in der Stadt auf und kannte sie gut. Bedeutende Werke von ihm fanden in drei hiesige private Kunstsammlungen Eingang. Mit deren Besitzern – Erica Ebinger, Gottfried Anliker und Hans Langenbacher – war er über lange Jahre freundschaftlich verbunden.
Dank bislang selten, zum grossen Teil sogar noch nie öffentlich gezeigter Leihgaben aus diesen Sammlungen bietet die Schau in der Kunsthalle einen bislang ungekannten Einblick in die geniale Vielfalt von Dieter Roths künstlerischem Schaffen und zeugt von den Spuren seiner anregenden Beziehung zu Luzern.