In der Gruppenausstellung «EIN GARTEN IST EIN GARTEN IST EIN GARTEN» im Nidwaldner Museum Winkelriedhaus setzen sich die beteiligten Kunstschaffenden mit dem Garten als kultiviertem Stück Erde auseinander und hinterfragen ihn als gesellschaftliches und kulturelles Konstrukt. Ihre Arbeiten eröffnen vielschichtige Perspektiven auf unser ambivalentes Verhältnis zur Natur.
Kunst trifft Natur im Nidwaldner Museum Winkelriedhaus
Kunstschaffende
Elvira Bättig, Brigham Baker, Sabian Baumann, Alexandra Baumgartner, Quynh Dong, Klodin Erb, Roberta Faust, Nils Amadeus Lange & Mario Petrucci Espinoza, José Miguel del Pozo, Felix Stöckle
Vom Paradies zur Projektionsfläche
In «Alice im Wunderland» taucht der Garten gleich zweimal auf: Sorgfältig gepflegt und übersichtlich, widerspiegelt er zu Beginn die Menschenwelt als rigide geordneten und beherrschten Ort. In der Traumwelt wiederum tritt Alice in einen wilden Hort mit unbekannter und wunderlicher Fauna und Flora ein, der endlose Möglichkeiten und Überraschungen zu versprechen scheint. Bestimmt visualisieren Geschichten wie «Alice im Wunderland» das verheissungsvolle Wesen eines Gartens. Sie verweisen aber auch auf das breite Spektrum des Gartens als Metapher für die stetige Aushandlung der Frage nach unserem Bezug zur Natur.
Blick in die Ausstellung
Felix Stöckle beschäftigt sich mit kulturellen Überlieferungen, Ritualen und den Dynamiken sozialer und politischer Identität. Seine Arbeiten verbinden kunsthandwerkliche Techniken mit unterschiedlichsten Materialien. Seit der Verlagerung seines Ateliers in eine ländliche Region Frankreichs richtet sich Stöckles Aufmerksamkeit verstärkt auf Vorgärten – Orte, an denen Kitsch und Kultur ineinandergreifen. Persönliche Gegenstände und klassische Dekorationen wie Gartenzwerge verschmelzen hier zu Assemblagen, die Alltägliches aufladen und zugleich dekonstruieren. In der Ausstellung wird der Gartenzwerg als Sinnbild kleinbürgerlicher Dekoration mit langer Geschichte zum zentralen Motiv. Im Zuge seiner Recherche stiess Stöckle in den dunklen Ecken des Internets – wo Verschwörungstheorien und Weltuntergangsszenarien zirkulieren – auf eine verstörende Interpretation der vertrauten Zierfigur: Mit Altmetall gefüllt und mit Zündmechanismen versehen, mutieren die Gartenzwerge dort zu Symbolen psychologischer Kriegsführung. Was bleibt, ist ein Gefühl von Unbehagen gegenüber dem Vertrauten, dem Schutzbedürftigen und dem Abgrenzenden.
Raumfüllend erstreckt sich Elvira Bättigs ortsspezifische Intervention im Foyer des Pavillons. Im Zentrum steht ein vieldeutiges Motiv: die Erdbeere. Als Symbol für Sinnlichkeit und Fruchtbarkeit wechselt deren Grösse und Form von überdimensional bis handlich klein. Bättig nutzt diese Verschiebung der Massstäbe, um das Spannungsfeld zwischen Verführung und Bedrohung auszuloten. Bestimmt erinnert diese Auseinandersetzung mit Grössenverhältnissen an die Geschichte von «Alice im Wunderland». Visuelle Anregung fand Bättig unter anderem in den ikonischen Tapetendesigns von William Morris, einem zentralen Vertreter der Arts-and-Crafts-Bewegung im 19. Jahrhundert. Dessen florale, sich wiederholende Muster zeichnen sich durch detailreiche und naturinspirierte Darstellungen aus. Morris verstand Kunst dabei als ein Mittel, um eine tiefere Beziehung zur Natur herzustellen. Auch Bättigs künstlerische Praxis kreist um diese Verbindung von Ästhetik und Inhalt. Sie sammelt Fundstücke zwischen Kultur und Konsum. Diese Elemente kombiniert sie zu dichten Bildräumen, in denen dekorative Strategien auf widersprüchliche Stimmungen treffen: Struktur und Mühelosigkeit, Natur und Konsumwelt.
Im Wechselspiel zwischen Aussen- und Innenräumen entfaltet sich Poem Garden als ein visuelles Gedicht. Quynh Dongs Videoarbeit ist eine poetisch-visuelle Reflexion über Gemeinschaft, Erinnerung und die Natur als Ort des Austauschs. So präsentiert sich eine Reihe von «Video-Poesien» als stille Sequenzen aus dem Studio des Nhà Sàn Collective – einem unabhängigen Zusammenschluss von Kunstschaffenden mit Sitz in Hanoi, die sich für den Austausch zwischen lokalen und internationalen Kunstschaffenden einsetzen. Sie zeigen Objekte, Textfragmente und Bildausschnitte, die auf deren künstlerisches wie eigenes Umfeld verweisen. Der Titel «Poem Garden» steht sinnbildlich für die Zusammensetzung aus Erinnerungen, Beziehungen und sprachlichen Fragmenten, die wie Pflanzen in einem Garten nebeneinander bestehen. Damit wird der Garten zur Metapher eines künstlerischen Kollektivs. Mit der Fokussierung auf Räume, Gegenstände und Klänge referiert Dong weiter auf Andy Warhols Faszination für Alltagsdinge, worin in einer hyperrealen Welt persönliche, politische und poetische Ebenen verschmelzen.
(Textgrundlage: Nidwaldner Museum Winkelriedhaus)