Der Erweiterungsbau beim Stadtgarten wird erstmals zum Dunkelraum für eine Ausstellungstrilogie mit wichtigen Videoarbeiten namhafter Künstler.
Kunst Museum Winterthur | Bewegte Bilder | David Claerbout | Keren Cytter
Zum ersten Mal zeigt das Kunst Museum Winterthur eine breite Sammlung an Videoarbeiten von den frühen 1960er-Jahren bis in die Gegenwart.
Bewegte Bilder | Aus der Schenkung Heinz E. Toggenburger
Das Fernsehen und die digitalen Medien haben unsere Welt grundlegend verändert und prägen unseren Alltag nachhaltig. So erstaunt es kaum, dass sich bildende Künstler*innen den elektronischen Medien zuwandten und begannen, mit ihnen zu experimentieren. Das Video diente u. a. der Dokumentation performativer Aktionen, der Bildschirm wurde zur Leinwand, die eine Malerei mit bewegten Bildern ermöglichte.
Sammlung Neue Medien
Dank einer grosszügigen Schenkung von Heinz E. Toggenburger konnte das Kunst Museum Winterthur die Grundlage schaffen für eine Sammlung Neue Medien. Ziel des umfangreichen Sammlungsprojektes war der Aufbau einer repräsentativen Kollektion von Einkanal-Videos. Einen Schwerpunkt bilden exemplarische Werke der herausragenden Videokünstler und -künstlerinnen der 1960er und 1970er-Jahre. Zu ihnen zählen u. a. John Baldessari, Joan Jonas, Bruce Nauman, Carolee Schneeman und Lawrence Weiner. Die Nachfolgegeneration ist mit Matt Mullican und Bill Viola ebenfalls vertreten, wobei beispielsweise bei Mullican ein umfangreiches Konvolut von Skulpturen und Zeichnungen sein Videoschaffen begleitet. Der gewichtigste Schwerpunkt bildet indes die Videokunst von den 1990er-Jahren bis zur Gegenwart mit bedeutenden Werken von Christoph Rütimann, Sylvie Fleury und Pipilotti Rist. Mit der Ausstellung «Bewegte Bilder» wird das Kunst Museum Winterthur erstmals Einblick in ein neues Kapitel der Sammlungsgeschichte gewähren.
David Claerbout | Laziness of Action
Mit gleichermassen spektakulären wie vielschichtigen Videoarbeiten ist der 1969 in Kortrijk (Belgien) geborene David Claerbout in den vergangenen Jahren hervorgetreten, wie es Einzelausstellungen in Institutionen weltweit, u. a. 2007 im Pariser Centre Pompidou und 2010 in der Pinakothek der Moderne in München, belegen. Ebenso zahlreich sind seine Ausstellungsbeteiligungen, sei es 2001 an der 2. Berlin Biennale oder 2004 an der Taipei Biennial. Claerbouts multimediales Schaffen – gewissermassen zwischen den Medien angesiedelt, zielt auf eine grundlegende Reflexion über die bildnerischen Gattungen. Dabei wird in seinem konzentrierten Werk Zeit zur entscheidenden Dimension der Wahrnehmung. Raffiniert spielt der Künstler mit den Ausformungen des Zeitlichen im Bild, ihren möglichen Dehnungen und Verdichtungen zwischen Moment und Dauer. So zielt der Titel von Highway Wreck (2013) auf den Spektakel des Moments. Zu sehen ist allerdings in einer gemächlichen Bildsequenz das Resultat des Autounfalls: Verkehrsstau, herbeieilende Hilfskräfte, teilnahmslose Zuschauer, Ambulanzen, Feuerwehr… Alles fokussiert auf das Ereignis, von der stillen Bildfolge sanft umkreist. Nur langsam stellen sich Zweifel am Bild oder an dessen Realitätsbezug ein: Der Künstler hat die Szene aufgrund einer historischen Fotografie aus den 1940er Jahren im Studio digital rekonstruiert und dabei für die Ausstellung gleichsam verräumlicht. Das Spektakuläre des Moments bricht sich an der Dauer des Vergangenen.
Keren Cytter | Fashions
Keren Cytter erzählt Geschichten – absurde, witzige und abgründige. Dabei bedient sich die 1977 in Tel Aviv geborene und heute in New York lebende Künstlerin unterschiedlicher formaler Möglichkeiten des experimentellen Kinos, des Film noir und Direct Cinemas. Sie verbindet diese mit der Trash-Kultur unserer vertrauten Medienrealität und dem kommunikativen Potenzial von Social Media. Mit der nicht-linearen, oft zyklischen Logik ihrer Werke dekonstruiert die Künstlerin klassische Erzählmuster wie herkömmliche Sprachkonventionen und Deutungshoheiten. Dabei kombiniert sie Bilderfolgen mit asynchron verlaufenden Sprach und Tonsequenzen zu eigenwilligen filmischen Collagen und erschafft eine absurde Bildwirklichkeit von existenzieller Dringlichkeit. Ihre an billige Amateurvideos erinnernden Montagen aus Erinnerungen, Traumbildern und Einbildungen erzeugen vielschichtige, poetische Kompositionen von irritierend-grotesker Qualität. Das Schaffen Keren Cytters war in den vergangenen Jahren in verschiedenen Museen zu sehen, u. a. 2007 im MUMOK in Wien, 2010 im Moderna Museet in Stockholm und zuletzt 2018 im Museion in Bozen. Das Kunst Museum Winterthur präsentiert ihre erste Einzelausstellung in einem Schweizer Museum. Zu sehen ist eine Auswahl älterer und jüngerer Arbeiten, die Einblicke in ein Werk eröffnen, das sich gängigen Kategorisierungen entzieht.