danioth-digital.ch macht das Leben und Werk des wohl bedeutendsten Urner Künstlers für die ganze (Kunst)-Welt in einer innovativen Art und Weise digital zugänglich. Das Konzept und die Inhalte von danioth-digital.ch stammen von Christine Szkiet vom Institut für Geschichtsdidaktik und Erinnerungskulturen der Pädagogischen Hochschule Luzern. Im Interview erzählt sie, wie sie als Norddeutsche zu Heinrich Danioth gefunden hat und wie sie auch junge Leute für den Künstler gewinnen will.
Interview: Christine Szkiet haucht der Website danioth-digital.ch Leben ein
- Publiziert am 24. Oktober 2023
Es handelt sich sowohl für die Dätwyler Stiftung als Herausgeberin als auch für die PH Luzern um ein Leuchtturmprojekt.
Christine Szkiet | Zur Person
Dr. phil. Christine Szkiet ist Studiengangmanagerin Masterstudiengang Geschichtsdidaktik und öffentliche Geschichtsvermittlung sowie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichtsdidaktik und Erinnerungskulturen der Pädagogischen Hochschule Luzern. Dort ist sie Dozentin für Public History und ist als Lehrperson für Geschichte auf SEK II in der Lehrerbildung in Geschichte und Bildnerischen Gestalten auf SEK I tätig. Sie stammt ursprünglich aus Norddeutschland, wo sie Kunstgeschichte, Literaturwissenschaften und Entwicklungspsychologie studierte. Sie arbeitete im Museum, in Galerien und Auktionshäusern in Deutschland und der Schweiz. Ihr ersten Projekt im Bereich Digitalisierung war unter anderem die Beteiligung an der Entwicklung der heute europaweit genutzten Museumsdatenbank digiCULT. Christine Szkiet lebt und arbeitet seit 16 Jahren in der Schweiz.
Mit Christine Szkiet sprach Markus Arnold
Christine Szkiet, können Sie in wenigen Worten sagen, wer Heinrich Danioth war?
Ich versuche es: Heinrich Danioth war ein Suchender, der sich mit der Kunst und mit den Ereignissen seiner Zeit auseinandergesetzt und versucht hat, das, was er dabei gedacht und empfunden hat, in sein Werk zu bringen.
Warum wissen Sie so viel über Heinrich Danioth? Ihr Name und Ihre Herkunft lassen ja nicht auf eine direkte Verbindung zu Danioth und seiner Heimat, den Kanton Uri, schliessen.
Heinrich Danioth begleitet mich, seit ich in der Schweiz bin, also seit 16 Jahren. Ich hatte gleich zu Beginn das Vergnügen, mit seiner Tochter Madeleine Danioth zusammenzuarbeiten. Und natürlich hatte mein damaliger Job in der Galerie Fischer in Luzern dazu geführt, dass ich mich intensiv mit den Künstlern der Region auseinandersetzte.
*Unter www.danioth-digital.ch kann man ab/seit dem 3. November 2023 dem wohl berühmtesten Urner Künstler online begegnen. Was ist Danioth
Digital überhaupt?*
Danioth Digital ist eine digitale Plattform mit verschiedenen Räumen, die Heinrich Danioths Leben und sein Werk im Kontext der Zeit- und Kunstgeschichte auf attraktive Art und Weise präsentiert.
Was unterscheidet Danioth Digital von Websites anderer Künstler:innen?
Bei der Entwicklung von Danioth Digital wurde der Fokus auf die Prinzipien der Geschichtsdidaktik gelegt. Wir erzählen multiperspektivisch und bringen auch die Methode des multimedialen Storytellings ein. Dass verschiedene Medien, Texte und Zitate miteinander korrespondieren und eine Geschichte erzählen, ist schon etwas Besonderes.
An wen richtet sich Danioth Digital?
Wir wenden uns einerseits an Personen, die sich für Heinrich Danioth interessieren. Ich bin überzeugt, wir werden mit unseren Räumen und Darstellungen selbst Danioth-Kenner überraschen können. Weiter möchten wir Heinrich Danioth stärker in den Fokus von Museen und Kunstinstitutionen rücken. Die Danioth-Werke aus der reichhaltigen Sammlung der Dätwyler Stiftung eignen sich hervorragend, um für Ausstellungen ausgeliehen zu werden. Wir wollen aber auch gezielt ein jüngeres Publikum ansprechen. Dieses kann auf verspielte Art und Weise scrollend und wischend durch die digitale Welt navigieren. Und schliesslich bilden die Inhalte von Danioth Digital auch die Basis für die schulische Vermittlung.
Konzept und Inhalte stammen von Ihnen sowie Ihren Mitarbeitenden am Institut für Geschichtsdidaktik und Erinnerungskulturen der Pädagogischen Hochschule Luzern. Wie kam es dazu?
Da ich mich seit Jahren mit Heinrich Danioth beschäftige, habe ich auch verschiedene Vernissagen im Haus für Kunst Uri besucht und kenne somit Personen, die sich intensiv mit Danioth auseinandersetzen. Ausserdem kreiere ich an der PH Luzern seit Jahren digitale Vermittlungsprodukte. Ich konnte mir dadurch ein gewisses Renommee erarbeiten. So wurde ich eines Tages von der Dätwyler Stiftung angefragt, gemeinsam ein digitales Danioth-Projekt zu erarbeiten. Ich habe sehr gerne zugesagt.
Die Website danioth-digital.ch wird in verschiedene Räume eingeteilt, die man virtuell betreten kann. Was für Räume?
Im «Erzählraum» wird – einem Videobook ähnlich – Heinrich Danioths Leben und Werk in mehreren Kapiteln und in Einbezug verschiedener Medien, historischer Quellen, Fotografien et cetera erzählt. Im «Zeitraum» haben wir Danioths Leben und Werk in Raum und Zeit verordnet. Im «Filmraum» wird Felice Zenonis Kinofilm «Danioth – der Teufelsmaler» aus dem Jahr 2015 gestreamt. Im «Schauraum» werden Werke von Heinrich Danioth ähnlich einer Online-Datenbank präsentiert. Hierfür erhielten wir auch Fotomaterial des Staatsarchivs Uri und des Kunstmuseums Luzern. Als Pädagogische Hochschule war uns natürlich von Anfang die schulische Vermittlung ein Anliegen. Diese kommt dann im «Klassenraum» zur Geltung. Der «Klassenraum» wird derzeit erarbeitet und kann dann im Verlaufe des kommenden Jahres «betreten» werden.
Was findet man im Klassenraum?
Wir werden im Klassenraum ab Mitte 2024 fixfertige Lerneinheiten à 45 und 90 Minuten für Schulen kostenlos zur Verfügung stellen. Die Schüler:innen werden sich dabei aktiv mit dem Inhalt der Plattform auseinanderzusetzen und auch kreativ tätig sein. Begleitet werden sie von einem Avatar – und zwar wird das Heinrich Danioth selbst sein. Er wird sie auffordern, einen Podcast aufzunehmen, eine Szene von «Wilhelm Tell» nachzustellen, ein Produkt zu malen et cetera. Die didaktisch aufbereiteten Module sind lehrplangestützt und fächerübergreifend in den Bereichen Geschichte/Geografie (RZG), Deutsch und Bildnerisches Gestalten / Kunst.
Dann gibt es noch einen «Aussenraum». Dieser beinhaltet unter anderem einen drei Kilometer langen Danioth-Spaziergang in Altdorf, den man real absolvieren kann. Was hat es damit auf sich?
Danioth Digital soll nicht ein rein digitales Produkt sein soll. Man soll dem Werk des Künstlers auch im Original begegnen können – mit der Unterstützung des eigenen Smartphones. Im «Aussenraum» findet man zudem eine «Grand Tour de Suisse», auf der man die in der Schweiz öffentlich an Häuser- und Felswänden zugänglichen Wandbilder Heinrich Danioths digital besuchen kann.
Welchen Bedeutung hat Danioth Digital für Sie persönlich?
Ich habe während mittlerweile drei Jahren enorm viel Herzblut in dieses Projekt investiert. Es gab wohl kaum einen Tag, an dem ich nicht daran arbeitete oder daran dachte.
Und welchen Stellenwert hat das Projekt für die Pädagogische Hochschule Luzern?
In unserem Institut laufen permanent rund 30 Projekte parallel. Danioth Digital ist dabei ganz klar ein Leuchtturmprojekt. Es ist neu, innovativ und liefert eine Basis für fächerübergreifenden Unterricht. Ich konnte auch viele Studierende ins Projekt einbinden. Sie schrieben darüber ihre Masterarbeiten und absolvierten Praktika. Inzwischen arbeiten zwei Mitarbeitende und zwei junge Studierende im Projekt Danioth Digital mit.
Ein Leuchtturm leuchtet und weist den Weg. Welche Wirkung soll Danioth Digital erzielen?
Wir möchten vor allem auch junge Menschen mit Danioth und seiner künstlerischen Auseinandersetzung konfrontieren sowie Lehrpersonen dazu bringen, diesen Künstler und sein Werk für den schulischen Unterricht zu nutzen. Wir erhoffen uns mehr Visibilität für Heinrich Danioth – aber auch für unseren Studiengang Geschichtsdidaktik und öffentliche Geschichtsvermittlung.
Neben der PH Luzern und der Herausgeberin Dätwyler Stiftung arbeiten die Docmine Productions AG, die Filmproduktionsfirma Mesch & Ugge sowie das Haus für Kunst Uri am Projekt mit. Dies tönt nach einem recht komplizierten Konstrukt.
Zu Beginn waren wir ein Dreierteam, doch es war klar, dass wir dieses Projekt nicht alleine realisieren können. Da sich in der Vergangenheit schon diverse Personen mit Heinrich Danioth auseinandergesetzt hatten, wollten wir auf diese Fachexpertisen zugreifen. So stiess Felice Zenoni von Mesch & Ugge dazu. Und es lag auch auf der Hand, dass wir mit dem Haus für Kunst Uri, das sich seit Jahren intensiv mit Danioth auseinandersetzt und den Danioth-Pavillon betreibt, zusammenarbeiten. Mit Patrick Müller von der Firma Docmine Productions AG haben wir einen Content Producer an Bord geholt, mit dem ich schon seit vielen Jahren erfolgreich zusammenarbeite. Die Zusammenarbeit mit den vielen verschiedenen Fachexperten ist sehr bereichernd.
Mit danioth-digital.ch liegt nun eine digitale Plattform für einen Künstler vor, der vor allem im Kanton Uri präsent ist. Welche Bedeutung hat Heinrich Danioth national?
Es ist in der Tat erstaunlich, dass Heinrich Danioth im Kanton Uri geblieben ist. Die zeithistorischen Umstände haben ihm sicherlich viele Möglichkeiten genommen, sich noch grösser und noch freier zu entfalten. Immerhin: Bei den Wandbildern war er in der Schweiz wohl der gefragteste Künstler und konnte sich bis zu einem gewissen Grad auch einiges erlauben.
Und hat dabei auch polarisiert. Mit seinem Werk «Fundamentum» beim Bundesbriefarchiv in Schwyz sorgte er gar für einen veritablen Kunststreit in der Schweiz.
Ja, das ist so. Dieses Werk entstand in einer Zeit, in der die geistige Landesverteidigung in der Gesellschaft eine grosse Bedeutung hat. Auch bei Heinrich Danioths Bildern wurde «das Schweizerische», «das Nationale» thematisiert. Jedoch war seine moderne Umsetzung für viele damals nicht so wie gewünscht und am Ende unverstanden. In faschistischen Ländern war die moderne Malerei ab 1936 ja gar verboten.
Sie haben sich jahrelang intensiv mit Heinrich Danioth auseinandergesetzt. Was fasziniert Sie an ihm?
Es ist beeindruckend, was Heinrich Danioth alles geleistet hat. Er war Maler von Gemälden aber auch von öffentlicher Kunst – also Wandbildern. Er gestaltete Karikaturen und Satire, dichtete und konzipierte Theaterstücke. Er war ein unglaublich vielseitig talentierter Künstler. Das macht ihn besonders spannend.
Vielen Dank für das Gespräch
Das Interview wurde uns von der Dätwyler Stiftung zur Verfügung gestellt. Markus Arnold ist Fachspezialist Förderaktivitäten der Dätwyler Stiftung